Restrukturierungsbeauftragter im StaRUG: Eine ganz neue Herangehensweise an eine Restrukturierung

Dr. Dietmar Haffa und Dr. H. Philipp Esser von Schultze & Braun waren und sind bereits in mehreren StaRUG-Restrukturierungen tätig. Im Interview sprechen sie über ihre Erfahrungen und erläutern, welche Aufgaben und Funktionen ein Restrukturierungsbeauftragter über- und wahrnehmen können muss.
Herr Dr. Haffa, Herr Dr. Esser, den Restrukturierungsbeauftragten gibt es als Funktion erst seit der Einführung des StaRUG 2021. Wie wird man Restrukturierungsbeauftragter?
Haffa: Ein wichtiger Punkt ist, dass es nicht den einen Restrukturierungsbeauftragten gibt. Vielmehr kann man auf unterschiedlichen Wegen Restrukturierungsbeauftragter werden: Entweder wird man quasi von Amts wegen eingesetzt, oder das Schuldnerunternehmen oder die Gläubiger schlagen einen als Restrukturierungsbeauftragten vor. Die Möglichkeiten ähneln also denen bei der Bestellung eines Sachwalters. Es ist jedoch immer so, dass ein Restrukturierungsbeauftragter vom zuständigen Restrukturierungsgericht bestellt wird.
Welche Kriterien spielen dabei eine Rolle?
Esser: Das Gericht muss einen Restrukturierungsbeauftragten unter anderem einsetzen, wenn ein Unternehmen eine StaRUG-Restrukturierung angehen will und die Gläubiger Verbraucher oder kleine und mittlere Unternehmen sind. Hintergrund ist, dass durch den Restrukturierungsplan unter Umständen in die Rechte von Gläubigern eingegriffen wird. Die Interessen von Verbrauchern und kleinen und mittleren Unternehmen sollen hier besonders geschützt werden. Die Pflicht zur Einsetzung eines Restrukturierungsbeauftragten greift jedoch nicht, wenn von der StaRUG-Restrukturierung nur Finanzgläubiger betroffen sind.
Gibt es noch weitere Kriterien?
Esser: Ja, etwa, wenn das Schuldnerunternehmen bei Gericht beantragt, dass eine Vollstreckungs- oder Verwertungssperre angeordnet wird, die im Wesentlichen alle Gläubiger umfasst, oder das Gericht es für nötig erachtet, dass überwacht wird, dass die Ansprüche erfüllt werden, die den Gläubigern zustehen. In beiden Fällen muss das Gericht einen Restrukturierungsbeauftragten bestellen. Wird der Restrukturierungsbeauftragte hingegen auf Antrag der Gläubiger eingesetzt, spricht man vom „Fakultativen Restrukturierungsbeauftragten“.
In welcher Funktion sind Sie tätig?
Haffa: In den StaRUG-Restrukturierungen, in denen ich tätig war und bin, habe ich die Funktion des von Amts wegen gerichtlich bestellten, aber auch die des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten übernommen. Und ich kann Ihnen sagen, dass es trotz meiner langjährigen Erfahrung als Insolvenzverwalter und Sachwalter eine ganz neue Herangehensweise an eine Restrukturierung ist. Das liegt daran, dass der Restrukturierungsbeauftragte im Prinzip ein Sachwalter „light“ ist, der im Vergleich zu einem Sachwalter in einer Eigenverwaltung oder einem Schutzschirmverfahren über weniger Rechtsmacht verfügt. Die Herausforderung ist, dieses Delta an Rechtsmacht durch ein Mehr an Moderation, Einfühlungsvermögen und Kommunikation auszugleichen. Und auch wenn ich natürlich über die Mandate nicht sprechen darf, bin ich der Meinung, dass mir die Transformation zu dieser neuen Herangehensweise bis dato gut gelungen ist.
Was sind aus Ihrer Sicht die Haupt-Unterschiede zu einer Eigenverwaltung oder Regelinsolvenz?
Esser: Zunächst einmal ist das die Tatsache, dass sie bei einer StaRUG-Restrukturierung anders als in einer Insolvenz nicht in Verträge eingreifen und sie beenden können. Zudem hat man kein Insolvenzgeld zur Verfügung, das eine finanzielle Verschnaufpause bringt und mit dem man arbeiten kann. Gleichzeitig schreibt das StaRUG aber vor, dass Unternehmen, die eine vorinsolvenzliche Restrukturierung angehen wollen, liquiditätsmäßig besser aufgestellt sein müssen, als es in einer Insolvenz oder einer Eigenverwaltung der Fall ist. Die Zahlungsunfähigkeit darf noch nicht eingetreten sein. Oder anders formuliert: Unternehmen, die in eine StaRUG-Restrukturierung gehen, haben oftmals noch mehr finanzielle Reserven als Unternehmen in einer Eigenverwaltung oder einer Regelinsolvenz.
Wie sehen Ihre Aufgaben als Restrukturierungsbeauftragter aus?
Haffa: Als Restrukturierungsbeauftragter überwache ich die StaRUG-Restrukturierung und teile dem Gericht mit, wie es wirtschaftlich um das Schuldnerunternehmen bestellt ist. Dabei muss ich im Blick haben, ob es Umstände gibt, aufgrund derer die StaRUG-Restrukturierung aufgehoben werden sollte. Darüber hinaus übernimmt man als Restrukturierungsbeauftragter – wenn man zum Schutz der Gläubiger bestellt wurde – eine leitende Funktion bei der Abstimmung über den Restrukturierungsplan, der Prüfung der Forderungen und der Klärung der Stimmrechte.
Was nehmen Sie aus Ihrer bisherigen Tätigkeit in den StaRUG-Restrukturierungen mit?
Esser: Gerade in einer StaRUG-Restrukturierung sind der Dialog mit den Beteiligten und der Ausgleich der unterschiedlichen Interessen ein entscheidender Erfolgsfaktor. Genauso wie für den Schuldner eine Restrukturierung gegen die Gläubiger aussichtslos ist, müssen auch die Gläubiger dazu bereit sein, Kompromisse einzugehen. Nur so sichern sie den Fortbestand des Schuldnerunternehmens und sorgen dadurch gleichzeitig für eine möglichst umfangreiche Befriedigung ihrer Forderungen. Und hierbei nimmt der Restrukturierungsbeauftragte eine zentrale Rolle als Moderator ein. Daher eignen sich gerade erfahrene Insolvenzverwalter und Sachwalter dafür, diese Position zu übernehmen. Sie sind gewohnt, umfangreiche Restrukturierungsprojekte zu steuern und in der Gemengelage der unterschiedlichen Interessen den Überblick zu behalten.
Wofür eignet sich aus Ihrer Sicht eine StaRUG-Restrukturierung?
Esser: Eine StaRUG-Restrukturierung ist sinnvoll, wenn die leistungswirtschaftlichen Komponenten nicht zu groß sind und hauptsächlich die finanziellen Verbindlichkeiten oder Anteilsverhältnisse restrukturiert werden sollen. Auch bei Konflikten im Gesellschafterkreis kann das StaRUG hilfreich sein. Gut ist auch, wenn man als Schuldner bei einer finanziellen Restrukturierung nur mit relativ wenigen Gläubigern zu tun hat. Dabei müssen die Hauptgläubiger hinter der Restrukturierung stehen, da der Restrukturierungsplan eine 75%-Mehrheit erfordert. Gibt es viele Gläubiger, sollten die im Zusammenhang mit möglichst nur einem Finanzierunginstrument stehen – etwa einer Anleihe. In einem solchen Fall ist das StaRUG ebenfalls gut einsetzbar.
Was raten Sie einem Unternehmer auf Basis Ihrer Erfahrungen?
Haffa: Eine Restrukturierung sollte immer frühzeitig angegangen werden. Damit es idealerweise gar nicht zu einer Krise kommt, oder diese zumindest so früh wie möglich erkannt wird, sollten Unternehmen zudem ein Risikofrüherkennungssystem implementieren wie es ja auch in Paragraph 1 des StaRUG gefordert wird. So lassen sich Risiken und daraus möglicherweise resultierende Krisen frühzeitig erkennen. Wenn ein Unternehmen eine StaRUG-Restrukturierung angehen möchte, ist die Vorbereitung das A und O. Dazu zählt auch, dass man als Unternehmen für eine StaRUG-Restrukturierung in der Regel eine IDW S6-ähnliche Planung, eine ergänzende Liquiditätsplanung und einen Restrukturierungsplan benötigt. Essentiell ist zudem, dass die Gläubiger – oder zumindest einen Großteil der Gläubiger – mit ins Boot geholt werden. Da in einer StaRUG-Restrukturierung das Finanzierungsmittel Insolvenzgeld fehlt und grundsätzlich mindestens 75 % der betroffenen Gläubiger dem Restrukturierungsplan zustimmen müssen, ist eine Restrukturierung nur im Einvernehmen mit den Hauptgläubigern erfolgversprechend.
Die außergerichtliche Restrukturierung mit dem StaRUG
Seit dem 1. Januar 2021 können sogenannte StaRUG-Restrukturierungen schnell und gezielt umgesetzt werden – mit einem umfangreichen modularen Baukasten, großen Gestaltungs- und Eingriffsmöglichkeiten und ohne Insolvenzverfahren. Bei einer solchen Restrukturierung können Unternehmen selbst bestimmen, mit welchen ihrer Gläubiger und in welchem Umfang sie sich restrukturieren möchten – und das im Wesentlichen nicht öffentlich. Die gesetzliche Grundlage bildet
das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, kurz StaRUG. Seit Juli 2022 ist es möglich, eine StaRUG-Restrukturierung EU-weit anerkennen zu lassen.
Die maßgebliche Voraussetzung für eine StaRUG-Restrukturierung ist jedoch, dass das Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet ist und ein Restrukturierungskonzept vorliegt. Oder anders formuliert: Nur wenn ein Unternehmen maximal drohend zahlungsunfähig ist, können die handelnden Personen eine StaRUG-Restrukturierung initiieren. Wichtig: Treten die Zahlungsunfähigkeit und/oder die Überschuldung des Unternehmens während der StaRUG-Restrukturierung ein, kann diese unter bestimmten Voraussetzungen trotzdem ohne Insolvenzverfahren fortgeführt werden.
Kern des StaRUG ist der sogenannte Restrukturierungsplan. In ihm werden die Maßnahmen aus dem umfangreichen modularen Baukasten aufgeführt, die für die erfolgreiche Restrukturierung notwendig sind. Dabei haben Unternehmen große Gestaltungs- und Eingriffsmöglichkeiten:
- Unternehmen können in Forderungen, Sicherheiten und Anteile eingreifen.
- Es ist beim StaRUG nicht erforderlich, dass alle Gläubiger der Restrukturierung zustimmen. Eine Mehrheit von 75 Prozent in jeder Gruppe der (betroffenen) Gläubiger reicht aus.
- Eine Begrenzung auf bestimmte Gläubigergruppen ist möglich. So können Unternehmen die Restrukturierung beispielsweise auf die Forderungen der Kreditgläubiger beschränken.
- Ein Eingriff in Arbeitnehmerrechte ist jedoch nicht zulässig.
Die weitreichenden Gestaltungs- und Eingriffskompetenzen sind jedoch kein Freifahrtschein. Der Gesetzgeber hat für das StaRUG eigene Haftungsregelungen geschaffen. In die Rechte der Arbeitnehmer kann mit dem StaRUG nicht eingegriffen werden. Sie können aber individuell geregelt werden. Als neutrale Dritte können Restrukturierungsbeauftragte oder -moderatoren in die Restrukturierung eingebunden werden.
Die Interviewpartner
Dr. Dietmar Haffa
ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Diplom-Betriebswirt bei Schultze & Braun. Er ist Experte für Sanierungs- und Insolvenzberatung und hat bereits zahlreiche Unternehmen bei ihren Sanierungen als Insolvenzverwalter oder Sachwalter begleitet. Zudem ist er in mehreren StaRUG-Restrukturierungen als Restrukturierungsbeauftragter tätig.