Insolvenzantragspflicht: Wie Unternehmen sicherstellen, zwölf Monate durchfinanziert zu sein und eine mögliche Überschuldung feststellen

10. Juli 2024 Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Zum Jahreswechsel sind die Erleichterungen bei der Insolvenzantragspflicht weggefallen: Alexander Eggen von Schultze & Braun erläutert, worauf Unternehmen achten müssen, um zwölf Monate durchfinanziert zu sein, wann eine Überschuldung droht und was Geschäftsleiter dann machen sollten.

Seit dem 1. Januar 2024 greift die Insolvenzantragspflicht wieder in vollem Umfang. Das bedeutet: Ein Unternehmen muss nachweisen können, dass es die nächsten zwölf Monate durchfinanziert ist, um keinen Insolvenzantrag wegen Überschuldung stellen zu müssen.

Was bedeutet zwölf Monate durchfinanziert?

Die Anforderung, zwölf Monate durchfinanziert zu sein, betrifft Kapitalgesellschaften – also etwa eine GmbH oder eine UG – sowie den Insolvenzgrund Überschuldung (nicht Zahlungsunfähigkeit). Überschuldet ist ein Unternehmen dann, wenn dessen Verbindlichkeiten höher als dessen Vermögen ist, dies sich auf Jahressicht nicht ändert und eine Fortführung in den nächsten zwölf Monaten als unwahrscheinlich gilt.

Um eine Überschuldung festzustellen, wird in der Regel das Vermögen den Verbindlichkeiten gegenübergestellt. Die Durchfinanzierung für zwölf Monate wird mittels einer sogenannten Fortführungsprognose dokumentiert. Die Basis der Prognose bildet ein Dreiklang aus Unternehmenskonzept, Finanzplan und Fortführungsprognose:

  • Unternehmenskonzept: Das Unternehmenskonzept sollte aussagekräftig sein und den Sollverlauf darstellen.
  • Finanzplan: Der Finanzplan basiert auf dem Sollverlauf und der Fortführungsprognose.
  • Fortführungsprognose: Die Fortführungsprognose resultiert wiederum aus dem Finanzplan.

Sind die wirtschaftlichen Grundlagen und Prämissen stabil, spricht nichts dagegen, bei der Fortführungsprognose mit Durchschnittswerten aus den vergangenen Jahren zu arbeiten. Wichtig ist jedoch, dass Geschäftsleiter die drei, aufeinander aufbauenden Punkte (Unternehmenskonzept, Finanzplan und Fortführungsprognose) in regelmäßigen Abständen überprüfen und diese Überprüfungen dokumentieren.

Professionelle Hilfe holen

Doch was, wenn einem Unternehmer oder Geschäftsleiter Fortführungsprognosen schwerfallen, weil Aufträge nicht so wie bislang oder nur in Teilen hereinkommen? Falls von den drei Punkten Unternehmenskonzept, Finanzplan und Fortführungsprognose einer ins Wanken gerät, sollten sich Unternehmer oder Geschäftsleiter schnell professionelle Hilfe holen und gegebenenfalls rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Insolvenzantrag wegen Überschuldung stellen. Andernfalls könnten eine finanzielle Haftung und mögliche strafrechtliche Folgen wegen Insolvenzverschleppung drohen, insbesondere, wenn das Finanzamt oder die Krankenkasse einen Insolvenzantrag gegen das Unternehmen stellen.

Zahlungsunfähig oder (noch) nicht?

Neben der Überschuldung ist die Zahlungsunfähigkeit der zweite wichtige Insolvenzgrund. Zahlungsunfähig ist ein Unternehmen, wenn es seine fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen kann. Der Geschäftsleiter ist dann auch verpflichtet, innerhalb der gesetzlichen Frist einen Insolvenzantrag zu stellen. Zahlungsunfähigkeit liegt nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn das Unternehmen zu einem Stichtag zehn Prozent oder mehr seiner fälligen Verbindlichkeiten mit den präsenten liquiden Mitteln nicht begleichen kann und diese Lücke auch nicht innerhalb von drei Wochen unter Beachtung der in dieser Zeit fällig werdenden Verbindlichkeiten mit den in diesem Zeitraum zusätzlich verfügbar werdenden liquiden Mitteln schließen kann. 

Die Chance auf einen Neuanfang

Wichtig ist: Ein Insolvenzantrag bedeutet – unabhängig davon, ob er wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt wurde – nicht automatisch, dass die Unternehmensgeschichte an dieser Stelle endet. Die Insolvenz kann vielmehr die Chance auf einen Neuanfang darstellen. Je früher ein Insolvenzantrag vorbereitet wird, desto größer ist die Chance auf den Neuanfang. Wenn Gegenmaßnahmen frühzeitig eingeleitet werden, bestehen bessere Chancen auf einen erfolgreichen und nachhaltigen Ausgang.  Die Devise lautet in jeden Fall: Im Krisenfall keine Zeit verlieren – gerade auch, weil die Insolvenzantragspflicht seit dem 1. Januar 2024 wieder in vollem Umfang greift.

Alexander Eggen

Alexander Eggen ist Rechtsanwalt bei Schultze & Braun. Er leitet den Frankfurter Standort der bundesweit vertretenen Kanzlei und wird in der Rhein-Main-Region an unterschiedlichen Gerichten als Insolvenzverwalter bestellt. Eines seiner Spezialgebiete ist die Unternehmenssanierung.