Vorinsolvenzliche Restrukturierung mit dem StaRUG: Rares für Bares

24. März 2025 Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Prominente und aufmerksamkeitsstarke StaRUG-Fälle wie etwa Leoni, Varta, BayWa oder Mynaric werfen inzwischen regelmäßig Schlaglichter auf die vorinsolvenzliche Restrukturierung. Dr. Dietmar Haffa von Schultze & Braun war bereits in mehreren StaRUG-Fällen tätig. 

 

Herr Haffa, wie bewerten Sie die Entwicklung des StaRUG seit seinem Inkrafttreten?

Haffa: Man kann sicherlich sagen, dass das StaRUG nach seinem Inkrafttreten zum Jahreswechsel 2020/2021 nur schwer aus den Startblöcken gekommen ist. In den Jahren 2021 und 2022 gab es nach Angaben der 24 Restrukturierungsgerichte nur rund 50 StaRUG-Fälle. Aber allein im Jahr 2023 hat es bereits doppelt so viele Fälle wie 2022 gegeben – und ich gehe davon aus, dass sich dieser Aufwärtstrend auch im Jahr 2024 fortgesetzt. Aber auch wenn es inzwischen mehr StaRUG-Fälle gibt, steht das „R“ in StaRUG aber nach wie vor für „Rarität“ – zumindest, was die reine Zahl der Fälle im Vergleich zu den Regelinsolvenzen, aber auch den ESUG-Verfahren angeht. Angesichts des großen Restrukturierungspotentials des vorinsolvenzlichen Verfahrens und des vor allem vom reinen Volumen der finanziellen Restrukturierung sehr große StaRUG-Fälle kann man aber in Anlehnung an die bekannte von Horst Lichter moderierte TV-Show beim StaRUG gleichwohl von „Rares für Bares“ sprechen. 

Die Initialzündung beim StaRUG war der Fall Leoni. Bis dahin wurde dem StaRUG ja sogar oft die Praxistauglichkeit abgesprochen. Was hat sich mit Leoni geändert?

Haffa: Spätestens mit Leoni ist klar, welche Möglichkeiten die vorinsolvenzliche Restrukturierung bietet – und das nicht nur auf nationaler Ebene. Seit Mitte Juli 2022 ist das StaRUG ja auch EU-weit anwendbar. Leoni hat als prominentes Anwendungsbeispiel gezeigt, was das Verfahren im Vorfeld und außerhalb einer Insolvenz gerade bei der finanziellen Restrukturierung an Vorteilen bietet. 

Welche sind das?

Haffa: Vor allem, dass opportunistische Gläubiger oder sogar ganze Gläubigergruppen mit dem StaRUG mehrheitsbasiert überstimmt werden können. Das ist zum Beispiel von Vorteil, wenn einzelne Gläubiger mit ihrer Weigerung eine von den anderen Beteiligten angestrebte Restrukturierung be- oder sogar verhindern könnten. Bei Leoni ist die erforderliche Mehrheit dafür gesichert worden, da sämtliche Konsortialdarlehensgeber und wesentliche Schuldscheindarlehensgläubiger zugestimmt haben. 

Kann die Überstimmungs-Möglichkeit des StaRUG auch bei der Restrukturierung von Anleihen von Vorteil sein?

Haffa: Ja, mit dem StaRUG können Anleihen auch dann restrukturiert werden, wenn dies in den Bedingungen nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Das ist ein klarer Vorteil im Vergleich zum Schuldverschreibungsgesetz, kurz SchVG. Mehrheitsentscheidungen sind zwar auch damit grundsätzlich möglich – allerdings nur, wenn dies in den Anleihebedingungen so vorgesehen ist. 

Ist das StaRUG bei der Restrukturierung von Anleihen also besser als das SchVG?

Haffa: Das lässt sich pauschal nicht sagen, das StaRUG hat aber sicherlich einige Vorteile. So lassen sich damit nahezu alle im SchVG vorgesehenen Maßnahmen umsetzen. Ein Emittent in einer Krise sollte aber trotzdem immer individuell prüfen und entscheiden, welche Restrukturierungsvariante er wählt. Es muss auch kein entweder oder sein, denn es ist sogar möglich, bei einer Restrukturierung das StaRUG und das SchVG einzusetzen. Ist eine Anleihe breit gestreut, wird allerdings das StaRUG das Restrukturierungsverfahren der ersten Wahl sein.

Wieso?

Haffa: In solchen Fällen ist es oftmals schwierig, überhaupt genügend Anleihegläubiger an der Abstimmung beteiligen zu können. Nach dem SchVG muss mindestens die Hälfte der Gläubiger an der Abstimmung beteiligt sein. Beim StaRUG werden alle Anleihegläubiger als Basis herangezogen – auch wenn sie nicht an der Abstimmung teilnehmen. In beiden Fällen müssen grundsätzlich 75 % zustimmen. Beim StaRUG können jedoch nicht nur die ablehnenden 25 % der Gläubiger, sondern ganze Gläubigergruppen überstimmt werden. 

Was sind die Voraussetzungen, um ganze Gläubigergruppen mehrheitlich zu überstimmen?

Haffa: Ein solcher sogenannter Cross-Class-Cram-down ist immer an bestimmte Bedingungen geknüpft. So dürfen die betroffenen Gläubiger etwa durch den Restrukturierungsplan nicht schlechter gestellt werden als sie ohne den Plan stünden. Ein Vorteil des StaRUG: Im Restrukturierungsplan kann der Emittent alle seine Anleihen einbeziehen, er kann die Restrukturierung im Plan aber auch auf ausgewählte Anleihen beschränken. Beim SchVG muss das Verfahren für jede Anleihe einzeln durchlaufen werden.

Kommen wir zurück zu Leoni. Was zeigt dieser Fall mit Blick auf das StaRUG noch?

Haffa: Dass das StaRUG es ermöglicht, ein Unternehmen schnell wieder auf eine gesunde finanzielle Basis zu stellen. Bei Leoni war die Restrukturierung bereits im Sommer 2023 abgeschlossen. Rechnet man die Vorbereitungszeit nach dem Einstieg des Restrukturierungsgeschäftsführers Anfang Januar 2023 hinzu, kommt man auf eine Verfahrensdauer von rund 200 Tagen. Das deckt sich angesichts der Größe von Leoni mit den Erfahrungen der Dauer eines StaRUG-Verfahrens bei den Fällen, bei denen ich im Einsatz war.

Dr. Dietmar Haffa

ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Diplom-Betriebswirt bei der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun. Er ist Experte für Sanierungs- und Insolvenzberatung und hat bereits zahlreiche Unternehmen bei ihren Sanierungen als Insolvenzverwalter oder Sachwalter begleitet. Zudem ist er in mehreren StaRUG-Restrukturierungen als Restrukturierungsbeauftragter tätig.