In der Krise auf Nummer Sicher gehen
Die doppelseitige Treuhand ist ein bewährtes und präventiv einsetzbares Instrument an der Schnittstelle zwischen Krise und Insolvenz. Dr. Alexandra Josko de Marx und Dr. Roland Fendel von Schultze & Braun erläutern im Interview, worauf Unternehmen und Finanzierer achten sollten.
Frau Dr. Josko de Marx, Herr Dr. Fendel, die Herausforderungen für Unternehmen steigen, gleiches gilt für den Bedarf an Restrukturierungen und Sanierungen. Wie kann eine doppelseitige Treuhand dabei helfen, Sanierungskonzepte umzusetzen und Insolvenzen zu vermeiden?
Josko de Marx: Ein gutes Beispiel ist, wenn ein Unternehmen in eine Schieflage gerät und frisches Kapital für eine Sanierung benötigt. Mitunter kommen Unternehmer und Finanzierer dabei trotz jahrelanger, erfolgreicher Zusammenarbeit an einen Punkt, an dem der Beziehungsstatus von „gut“ zu „Es ist kompliziert“ wechselt und mitunter die Stimmung kippt. In einem solchen Fall lässt sich mit der Hilfe einer Treuhandlösung eine neue Vertrauensbasis schaffen.
Fendel: Grundsätzlich gilt: Eine Treuhand ergibt im Rahmen einer Sanierung immer dann Sinn, wenn es darum geht, die wirtschaftlichen Interessen von Finanzierern und Unternehmen beziehungsweise deren Gesellschaftern möglichst ausgewogen zu gestalten.
Wie ist das machbar?
Fendel: Ein Treuhänder kann beispielsweise Gesellschaftsanteile des zu sanierenden Unternehmens als Sicherheit für Sanierungsbeiträge der Finanzierer übernehmen und bei Eintritt bestimmter, zwischen den Parteien ausverhandelter Umstände zugunsten der Finanzierer verwerten.
Josko de Marx: Die Finanzierer haben so die Sicherheit, einen Gegenwert für ihr eingesetztes Kapital zu erhalten. Die Gesellschafter wiederum können sich sicher sein, ihre Gesellschaftsanteile bei einer erfolgreichen Sanierung zurückzuerhalten.
Man kann also durchaus sagen, dass die Treuhand den erwünschten Interessensausgleich zwischen allen Parteien schafft.
Fendel: Ja, durch den Treuhänder als neutralen Dritten kann eine Balance hergestellt und unter anderem auch eine etwaig emotional schwierige Situation beruhigt werden. Der Treuhänder begleitet den Prozess und wird im Bedarfsfall eine Art Corporate Governance Struktur etwa in Form eines Lenkungsausschusses oder Beirats aufsetzen, in dem alle Beteiligten eingebunden sind, einschließlich der Berater des Unternehmens. Das schafft Vertrauen und ermöglicht gerade in „verfahrenen“ Situationen eine sach- und interessengerechte Zusammenarbeit.
Josko de Marx: Weitere Vorteile sind, dass die Finanzierer nicht selbst Gesellschafter des Unternehmens werden und Anteile übernehmen müssen, wenn es zur Treuhand kommt. Auch am Treuhandvertrag sind die Finanzierer nicht als Vertragspartei, sondern „nur“ im Rahmen der Drittbegünstigung beteiligt. Des Weiteren können sich die Finanzierer den Treuhänder selbst aussuchen. Schließlich werden sich die Finanzierer bei einer erfolgreichen Sanierung im Rahmen einer Treuhand im Zweifel wirtschaftlich besserstellen als bei einem öffentlichkeitswirksamen Insolvenzverfahren. Den Unternehmen und Gesellschaftern wiederum bietet die Treuhand die Chance, die Unternehmenskrise diskret zu überwinden, etwaig verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und die geschaffenen Werte für die Gesellschafter zu erhalten.
Welche Gestaltungs- und Einsatzmöglichkeiten bietet eine Treuhand?
Josko de Marx: Der Treuhänder hält und verwaltet die Sicherheiten sowohl zugunsten der Gesellschafter als auch zugunsten der begünstigten Dritten. Daher auch die Bezeichnung dieser Art von Treuhand als „doppelseitig“. Den Begünstigten wird über den Treuhandvertrag ein direkter Anspruch gegen den Treuhänder eingeräumt – etwa auf Auskehr des Erlöses aus einer Verwertung der Sicherheiten oder auf sonstige Leistungen. Dabei kann eine Treuhand sowohl in rechtlicher als auch in zeitlicher Hinsicht flexibel der jeweiligen Situation angepasst werden.
Fendel: Denkbar ist etwa ein „dosierter“ Übergang von Geschäftsanteilen oder Gesellschafterbefugnissen auf den Treuhänder in Abhängigkeit von der Umsetzung eines Sanierungsplans oder der Verkauf nur einzelner Geschäftsbereiche bei Eintritt eines Bedingungsfalls anstatt des gesamten Unternehmens.
Welche Punkte sollten bei einer Treuhand beachtet werden?
Fendel: Neben dem richtigen Zeitpunkt für die Konstituierung einer Treuhand muss der Zeitpunkt eindeutig definiert sein, ab welchem dem Treuhänder zusätzliche Rechte eingeräumt werden – etwa zur Verwertung der Sicherheiten. Auch müssen klare Regelungen für Laufzeit- und Rückübertragungsoptionen sowie für die Reihenfolge der Verteilung der Erlöse – der sogenannte Wasserfall – getroffen werden.
Josko de Marx: Ebenfalls eindeutig bestimmt sein müssen natürlich das auf den Treuhänder zu übertragende Treugut, die Rechte und Pflichten des Treuhänders oder dessen Einbindung in das Sanierungskonzept. Die Basis dafür bildet ein umfassend verhandelter und professionell ausgearbeiteter Treuhandvertrag.
In welchen Situationen kann eine Treuhand zum Einsatz kommen?
Fendel: Die Einsatzmöglichkeiten einer Treuhand sind vielfältig – etwa, wenn ein Unternehmen in eine Produkt- oder Absatzkrise gerät oder die Finanzierer bei der Vergabe von fresh money oder sonstigen in Betracht kommenden Sanierungsbeiträgen wie der Aussetzung von Zins und Tilgung zögern.
Josko de Marx: Aber auch bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern oder sonstigen Stakeholdern, die zu einer Unternehmenskrise führen oder eine bereits bestehende Krise vertiefen (können) kann eine doppelseitige Treuhand die Option für einen sachgerechten und werteorientierten Lösungsansatz sein. Denn Fakt ist: Die doppelseitige Treuhand ist ein in der Praxis vielfach bewährtes und präventiv einsetzbares Instrument an der Schnittstelle zwischen Krise und Insolvenz.
Die Interviewpartner: Dr. Alexandra Josko de Marx und Dr. Roland Fendel sind Rechtsanwälte bei Schultze & Braun. Sie sind im Geschäftsbereich Sicherheitenmanagement der bundesweit vertretenen Kanzlei tätig. Sie haben bereits zahlreiche Treuhandlösungen auf- und umgesetzt.