Sanierungsgewinne mit existenzieller Bedeutung
Durch das schwierige wirtschaftliche Umfeld verschlechtern sich auch die finanziellen Aussichten für Selbstständige. Alexander Eggen von Schultze & Braun erläutert, worauf sie in diesem Zusammenhang bei einer Sanierung achten sollten – auch, um nicht in eine steuerliche Gesetzeslücke zu fallen.
Herr Eggen, der Anstieg bei den Unternehmensinsolvenzen setzt sich fort, und es ist davon auszugehen, dass sich daran bis auf Weiteres nichts ändert. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Eggen: Wir sehen bereits seit einer ganzen Zeit teils zweistellige Steigerungsraten bei den Insolvenzzahlen. Wobei man trotzdem sagen muss, dass wir in weiten Teilen eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens erleben – etwa im Vergleich zum Zeitraum vor der Corona-Pandemie. Dazu trägt sicherlich auch bei, dass die Insolvenzantragspflicht seit dem 1. Januar wieder in vollem Umfang greift. Grundsätzlich ist es so, dass Insolvenzen zum Wirtschaftsleben genauso dazu, wie Unternehmensgründungen oder -nachfolgen. Man muss sich immer bewusst machen, dass es in jeder Insolvenz um Fragen geht, deren Antworten von existenzieller Bedeutung sind. Und da macht es keinen Unterschied, ob es sich um größeres Unternehmen oder zum Beispiel einen Selbstständigen handelt.
Selbständige sind von den Auswirkungen der Konjunkturschwäche besonders betroffen. Rechnen Sie mir mehr Insolvenzen von Selbständigen?
Eggen: Ja, davon gehe ich aus. Gerade für Selbständige wird die auch auf absehbare Zeit schwierige Wirtschaftsentwicklung immer mehr zu einer existenziellen Bedrohung – etwa durch einen Rückgang an Beauftragungen. Auch angesichts dieser Entwicklung wird es sehr wahrscheinlich mehr Insolvenzen von Selbständigen geben.
Aus Ihrer Erfahrung: Welche Besonderheiten gilt es bei Insolvenzverfahren von Selbstständigen zu beachten?
Eggen: Bei Selbstständigen liegt, anders als etwa als bei einer GmbH, keine Trennung von geschäftlichem und privatem Vermögen vor. Dies stellt in der Insolvenz ein besonderes Risiko dar. Denn für die Schulden haften der Selbstständige dann mit seinem gesamten Vermögen. Das bedeutet dann beispielsweise für einem Handwerker, dass im Falle einer Insolvenz auch seine private Altersvorsorge betroffen ist.
Wie können Selbstständige diese finanziellen Risiken reduzieren?
Eggen: Sie sollten im besten Fall bereits vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit überlegen, ob die Gründung einer UG oder GmbH nicht der bessere Weg ist, um die finanziellen Risiken für sie als Unternehmer beschränken. Der dafür erforderliche Aufwand und auch die Kosten zahlen sich im Krisenfall im wahrsten Sinne des Wortes aus und der Selbstständige muss sich zudem keine Sorgen machen, dass er durch den Schritt ins Unternehmertum Haus und Hof riskieren, wenn er richtig beraten ist.
Und wenn ein Selbständiger in eine finanzielle Schieflage gerät?
Eggen: Auch im Falle einer Insolvenz gibt es für Selbstständige Sanierungsverfahren und -instrumente, mit denen sie sich finanziell neu aufstellen und sich mit ihren Gläubigern einigen können. Eines davon ist der Insolvenzplan, mit dem eine Sanierung grundsätzlich in wenigen Monaten möglich ist. Jedoch gibt es bei Selbstständigen im Zusammenhang mit dem Insolvenzplan eine Besonderheit, die zum Tragen kommt, wenn der Selbstständige seine Geschäftstätigkeit im Zuge der Insolvenz einstellen will oder muss. Im Fall eines Insolvenzplans kann es sein, dass die Finanzbehörden sogenannte Sanierungsgewinne aufgrund einer Gesetzeslücke steuerlich geltend machen, da Insolvenzpläne im Einkommensteuergesetz nicht steuerbefreit sind.
Was ist denn unter einem Sanierungsgewinn zu verstehen?
Eggen: Unter Sanierungsgewinn versteht man die bilanzielle Vermögensverbesserung, die durch den Forderungsverzicht der Gläubiger entsteht. Das lässt sich am besten anhand eines Beispiels darstellen: Wenn die Gläubiger im Rahmen eines Insolvenzplans zum Beispiel eine Quote von 15 Prozent erhalten, also auf 85 Prozent ihrer Forderungen verzichten, verringert das die Verbindlichkeiten des Selbstständigen. Steuerlich werden die 85 Prozent, auf die die Gläubiger verzichtet haben, als Sanierungsgewinn betrachtet, auch wenn sie nur auf dem Papier des Insolvenzplans existieren.
Was würde in einem solchen Fall passieren?
Eggen: Würde dieser Sanierungsgewinn besteuert, wäre der ehemals Selbstständige meist direkt wieder insolvent. Denn real macht er ja überhaupt keinen Gewinn, mit dem er eine solche Steuer bezahlen könnte. Es ist daher wichtig, dass gerade bei Insolvenzanträgen von Selbstständigen, die im Zuge des Verfahrens auch ihre Geschäftstätigkeit einstellen müssen oder wollen, sogenannte Verlustvorträge geprüft werden. Diese könnten dann mit möglichen Sanierungsgewinnen verrechnet werden. Grundsätzlich gilt: Bei Insolvenzanträgen und Insolvenzverfahren ist Vorbereitung das A und O – das zeigt sich gerade auch bei den Sanierungsgewinnen, auch wenn dieser Aspekt bei Kapitalgesellschaften im Vergleich zu Selbstständigen gesetzlich anders geregelt ist.
Der Interviewpartner
Alexander Eggen
ist Rechtsanwalt bei Schultze & Braun. Er leitet den Frankfurter Standort der bundesweit vertretenen Kanzlei und wird in der Rhein-Main-Region an unterschiedlichen Gerichten als Insolvenzverwalter bestellt. Eines seiner Spezialgebiete ist die Unternehmenssanierung. Eggen hat aber auch bereits zahlreiche (ehemalige) Selbstständige in ihren Insolvenzverfahren begleitet.