Autoh(w)andel

30. Oktober 2024 Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Umsatzrückgänge, Digitalisierung und Konzentrationsprozesse: Der klassische Autohandel steht vor zahlreichen Herausforderungen. In seinem Beitrag ordnet Rüdiger Bauch von Schultze & Braun aktuelle Risiken ein und erläutert Chancen für Autohäuser in wirtschaftlich schwierigen Lagen.

Der Autohandel steht aktuell vor einer Vielzahl von Risiken. Zu den größten zählt dabei sicherlich, dass die Kundenbestellungen bei Autohändlern sind derzeit stark rückläufig sind – jedoch gibt es diese Entwicklung nicht erst seit gestern. Die hohen Preise und Leasingraten von Neufahrzeugen führen dazu, dass die Bestellungen von batterieelektrischen Fahrzeugen massiv einbrechen. Dazu kommen noch der unsichere Wiederverkaufswert und aktuell große Wertverfall der Stromer. Neue Branchenherausforderungen wie der Verbrenner-Ausstieg 2035, der Aufbau einer adäquaten Lade-Infrastruktur, die sinkende Produktion bei Zulieferern, der Wegfall der Förderung von E-Autos in Deutschland sowie neue Themen wie Datenschutz, Cybersicherheit und die Lieferschwierigkeiten bei Halbleitern belasten den Autohandel zusätzlich. 

Risiken in der Mehrheit

Es gibt aber auch positive Nachrichten, auch wenn diese im Vergleich zu den Risiken in der Minderheit sind: Ein wenig Hoffnung machen die Neufahrzeug-Bestellungen mit konventionellen Antrieben, die etwa auf Vorjahresniveau bleiben. Und die weiterhin große Nachfrage nach Fachpersonal, was darauf hindeutet, dass die Autohändler nach wie vor an Wachstumspotenziale glauben. Positiv ist aus Sicht der angeschlossenen Werkstätten zu bewerten, dass die Bestandsfahrzeuge in Deutschland länger gefahren werden, was zu steigenden Umsätzen für Wartung und Instandsetzung führen wird.

Jedoch müssen Autohändler dabei auch die Entwicklung bei den Vertriebswegen und das sich verändernde Kaufverhalten im Blick haben. Lange haben die Autobauer erfolgreiche Partnerschaften mit Händlern gepflegt und Direct-to-Consumer-Plattformen, sogenannte D2C-Plattformen, umgangen. Durch Wettbewerber wie BYD und Tesla werden sich die Vertriebswege in Zukunft aber voraussichtlich stärker diversifizieren. Denn das Kaufverhalten verändert sich: Der PKW-Online-Handel ist auf dem Vormarsch und die Nachfrage verändert sich weg von der Motorleistung hin zu softwaredefinierten Fahrzeugen. Gleichzeig nehmen stationär die Konzentrationsprozesse zu. Aktuell betreiben rund 6.800 Autohändler gut 36.000 Autohäuser und Werkstätten. Nach einer Studie des Instituts für Automobilwirtschaft wird die Anzahl der Autohäuser in Deutschland in den kommenden Jahren massiv abnehmen und durch Zusammenschlüsse bis 2030 auf 3.800 Autohändler sinken. 

Notwendige Transformation der Geschäftsmodelle

Fakt ist: Die notwendige Transformation ihrer Geschäftsmodelle ist für viele Autohändler in finanzieller wie in operativer Hinsicht eine große Herausforderung, die für einige Unternehmen zu einer existenzbedrohenden Krise werden kann. 2023 mussten 180 Autohäuser Insolvenz anmelden. Gleichzeitig stieg auch die Anzahl von Insolvenzen bei Kfz-Betrieben. 

Aber auch ein Insolvenzantrag bedeutet nicht automatisch das Ende eines Autohändlers. Er kann im Fall einer existenzbedrohenden Krise vielmehr eine Lösung darstellen, mit der die Geschichte eines Autohauses fortgesetzt werden kann. Wichtig ist dabei: Ein kontrolliert und frühzeitig gestellter Insolvenzantrag erhöht die Chance für einen Neuanfang. So sind in einem Insolvenzverfahren – unabhängig davon, ob es sich um eine Regelinsolvenz oder eine Eigenverwaltung handelt –zum Beispiel Tilgung und Zinsen ausgesetzt und fällige Verbindlichkeiten müssen zunächst grundsätzlich nicht beglichen werden. Somit können alle Einnahmen dafür genutzt werden, den regulären Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. 

Ein weiterer Vorteil ist, dass die Löhne und Gehälter der Mitarbeitenden bis zu drei Monate lang durch das sogenannte Insolvenzgeld gesichert sind. Das verschafft einem Autohändler einen zusätzlichen finanziellen Spielraum, um das Unternehmen wieder zukunftsfähig aufzustellen. Das kann in einer Sanierung aus eigener Kraft, etwa über einen Insolvenzplan, aber auch durch den Einstieg eines Investors erreicht werden. Bei der Sanierung hilft aber auch, dass sich ein Autohändler im Rahmen einer Insolvenz leichter von nachteiligen Verträgen wie etwa langfristige Mietverträge für nicht mehr benötigte Räumlichkeiten lösen und – falls notwendig – Personalanpassungen vornehmen kann. 

Insolvenzantragspflicht greift wieder in vollem Umfang

Autohändler, die sich in einer wirtschaftlichen Krise befinden, oder bei denen sich eine solche Entwicklung abzeichnet, sollten im Blick haben, dass die Insolvenzantragspflicht seit dem 1. Januar 2024 wieder in vollem Umfang greift. Das bedeutet, dass die Erleichterungen beim Insolvenzgrund der Überschuldung weggefallen sind. Ein Geschäftsleiter muss nun wieder nachweisen können, dass sein Unternehmen die nächsten zwölf Monate durchfinanziert ist. Ansonsten muss die Geschäftsführung einen Insolvenzantrag stellen. Überschuldet ist ein Unternehmen dann, wenn dessen Verbindlichkeiten höher als dessen Vermögen ist, dies sich auf Jahressicht nicht ändert und eine Fortführung in den nächsten zwölf Monaten als unwahrscheinlich gilt. Gleichzeitig bleibt allerdings die Zahlungsunfähigkeit der mit Abstand häufigste Insolvenzgrund. Angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen sollten sich Autohändler regelmäßig mit der Frage befassen, ob ihr Unternehmen unter Umständen insolvenzreif ist – gerade auch, um Haftungsrisiken zu vermeiden.

Rüdiger Bauch

ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun. Er wird in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Thüringen an verschiedenen Gerichten bestellt und hat bereits zahlreiche Unternehmen bei ihren Sanierungen begleitet.