Markante Marken

15. April 2025 Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Tupperware, Air Berlin, Maredo, Praktiker, Neckermann oder Quelle – sie alle haben eins gemeinsam: Sie wurden als Marke im Zuge eines Insolvenzverfahrens von Investoren übernommen. Grundsätzlich gilt: Beim Erwerb, aber auch dem Verkauf einer Marke und der dazugehörigen Preisfindung müssen zahlreiche Besonderheiten beachtet werden. Welche das sind, erläutert Dr. Michael Rozijn von Schultze & Braun im Interview. 

 

Herr Rozijn, ein französischer Investor hat angekündigt, die Marke Tupperware in mehreren europäischen Ländern wieder aufleben lassen zu wollen. Kommt es häufig vor, dass Investoren nicht das Unternehmen selbst, aber dessen Marke aus der Insolvenz heraus erwerben?

Rozijn: Ja, denn gerade bekannte oder traditionsreiche Marken können für den Neustart oder den Ausbau von Unternehmen oder Produktlinien das Marketing befeuern – und sich für den Insolvenzverwalter und damit die Gläubiger eines insolventen Unternehmens ebenfalls im wahrsten Sinne des Wortes auszahlen. 

 

Gibt es ein Beispiel, an das Sie denken? 

Rozijn: Ja, ein gutes Beispiel ist die Fluglinie Air Berlin. Dem neuen Eigentümer waren die Rechte an der Marke der ehemals zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft im Sommer 2023 – also knapp sechs Jahre nach dem finanziellen Grounding – immerhin noch rund 120.000 Euro wert. 

 

Was beabsichtigt ein Investor denn mit einem solchen Kauf?

Rozijn: Der Erwerber übernimmt die eingeführte und am Markt bekannte Marke. Auch wenn zu den konkreten Plänen des aktuellen Eigentümers der Marke Air Berlin, dem Gründer der Fluglinie Sundair, weiterhin nur wenig bekannt ist, hat sein Geschäft nach der Übernahme der Marke Air Berlin sicherlich von den nostalgischen Empfindungen profitiert, die die Marke bei vielen früheren Kunden auslöst, war Air Berlin doch gerade als Ferienflieger bekannt und beliebt. 

 

Beeinflusst dies aus Ihrer Sicht auch den Einsatz einer Marke?

Rozijn: Durchaus, denn es liegt nahe, bei einer solchen emotionalen Markenbindung in der Branche oder Branchennähe zu bleiben und die Marke Air Berlin tatsächlich wieder für eine Fluglinie zu nutzen. Aber auch für Dienstleistungen im Fluggeschäft, etwa als Ticketvermittlung oder für Reiseveranstalter, lässt sich die Marke mit ihrer Historie gut verwenden. Air Berlin sprichwörtlich wieder „Wind unter die Flügel“ zu geben, scheint auch der Plan des Sundair-Gründers gewesen zu sein, hat er doch Anfang 2024 die „Airberlin Luftverkehrsgesellschaft mbH“ gegründet, deren Unternehmensgegenstand laut Handelsregister damals der „Betrieb einer Fluggesellschaft“ ist. Zunächst scheint die Gründung aber nur dem Erhalt des Markenschutzes zu dienen.  Ende 2024 wurde der Unternehmensgegenstand auf einen Holdingbetrieb insbesondere für Luftverkehrsunternehmen geändert. 

 

Gibt es auch Beispiele für stationäres Geschäft mit der Marke eines insolventen Unternehmens?

Rozijn: Ja, da ist die Steakhaus-Kette Maredo ein gutes Beispiel. Nachdem das insolvente Unternehmen Anfang 2021 nahezu alle Mitarbeitenden entlassen musste, übernahm im Juli des gleichen Jahres ein Investor die Marke „Maredo“ und die dazugehörige Internet-Domain. Sein Ziel: Die Marke Maredo mit neuen Restaurants wieder mit neuer Lebensglut füllen. Aktuell gibt es unter dem Namen Maredo in mehreren deutschen Städten insgesamt neun Restaurants und auf der Website einen kleinen Onlineshop.

 

Wie bemisst man denn den Wert einer Marke?

Rozijn: Marken werden bei Unternehmensverkäufen oder auch bei Verwertungen aus der Insolvenz höchst unterschiedlich behandelt. Vom Inhaber wird der Wert der Marke häufig überschätzt, vom Interessenten wiederum wird er häufig klein geredet. Mal werden Marken bei der Preisfindung wenig beachtet, weil andere Umstände von größerem Interesse sind. Man kann – und sollte! – aber den Wert einer Marke mit Hilfe von professionellen Analysten möglichst objektiv bemessen. Dafür gibt es aber nicht nur ein einziges Bewertungsverfahren und einen einzigen objektiven Markenwert. Es sind unterschiedliche Verfahren anerkannt. Gerade bei sogenannten großen Marken ist die Ermittlung mit Umfragen bei Marktteilnehmern verbunden, also mitunter auch aufwändig. Der jeweils ermittelte Markenwert ist zumeist nur eine annäherungsweise Beurteilung für die Preisfindung. Die Ermittlung des Marktwerts ist also ein Verhandlungsargument und eine Basis für die Wirtschaftlichkeitsberechnung.

 

Das klingt nach einem eher schwierigen Prozess der Preisfindung.

Rozijn: Je nach Branche, Marktdurchdringung, Verkaufsanlass und Dauer des Verkaufsprozesses ist kaum ein anderer Vermögensbestandteil so volatil und sensibel wie die Marke – nicht nur, aber eben gerade auch, wenn es sich um ein insolventes Unternehmen handelt. Aktuell können wir diesen Effekt etwa bei der Marke „Tesla“ beobachten. Natürlich ist Tesla nicht insolvent, aber Medienberichten zufolge ist der Marktwert der Marke Tesla zuletzt um 26 Prozent gefallen, was immerhin einem Wert von rund 15 Milliarden US-Dollar entspricht. Als ein Auslöser hierfür wird die alternde Fahrzeugpalette genannt, also ein produktbezogener Grund und mit Blick auf die nachrückenden Konkurrenzprodukte auch ein marktbezogener Grund. Besondere Aufmerksamkeit findet darüber hinaus die prominente Stellung des Tesla-CEO Elon Musk und sein politisches Agieren. Dies polarisiert in der Öffentlichkeit und führt zugleich zu einem Wertverlust für seine Marke „Tesla“. Interessant sind in diesem Zusammenhang sicherlich auch die Unterschiede in den Regionen – Wertverluste und Rückläufige Verkaufszahlen in Europa und nach wie vor hohe Loyalität in den USA. 

 

Welche Rolle spielt der Faktor Insolvenz beim Verkauf einer Marke?

Rozijn: Für den Verkauf aus der Insolvenz ist immer auch der Anlass und der Verfahrenslauf der Insolvenz ein Faktor, der sich auf den Wert der Marke – häufig wertmindernd – auswirkt. Zudem ist der Insolvenzverwalter auch häufig in der herausfordernden Situation, vergleichsweise schnell verkaufen zu müssen, um die Vermögensmasse zu generieren. Noch erheblicher belasten dann aber die weiteren Umstände der Insolvenz den Markenwert: Kriminalinsolvenzen verbrennen den Markenwert, ordentliche und geräuschlose Insolvenzverfahren können ihn schonen. 

 

Was raten Sie Unternehmen und Insolvenzverwaltern?

Rozijn: Unternehmen und Insolvenzverwalter sollten bei M&A-Deals Marken immer einpreisen und objektiv bewerten. Ansonsten laufen sie Gefahr, einen bedeutenden Teil der Verkaufserlöse liegen zu lassen. Allerdings zeigt das Beispiel Air Berlin auch, dass die Preisvorstellungen mitunter weit auseinander gehen können und sich ein Insolvenzverwalter dann auch dem Markt und der Nachfrage beugen muss. Laut Medienberichten hatte der Insolvenzverwalter von Air Berlin wohl aus dem Verkauf der Marke einen deutlich höheren Erlös erwartet.

 

Kommen wir zum Abschluss zurück zu Tupperware: Was macht diese Marke trotz der Insolvenz noch aus? 

Rozijn: Tupperware ist nach wie vor eine weltweit bekannte Marke. Die Produkte waren inzwischen über mehrere Generationen im täglichen Leben viele Familien verankert und gehörten und gehören somit zum festen Bestandteil des alltäglichen Lebens. Die 30-jährige Garantie, die Hochwertigkeit und Beständigkeit der Produkte und die Besonderheiten der Verkaufsmethoden waren schon einzigartig. Hierauf kann der mögliche Erwerber der Marke bauen und versuchen, diese Werte und Emotionen aus der Marke für ähnliche Produkte oder auch für andere Produkte und Dienstleistungen nutzbar zu machen. Sicherlich macht die Insolvenz den Erwerb dieser Marke besonders attraktiv. Negative Einflüsse auf die Werte und Emotionen, die mit „Tupperware“ verbunden werden, dürften aus der Insolvenz heraus nicht oder wenig zu befürchten sein. Denn das Insolvenzverfahren scheint zumindest nicht einherzugehen mit auffälligen und publik gewordenen Skandalen oder kriminellen Machenschaften – also eher ein geordneter Marktaustritt. Und wer weiß: Vielleicht ja sogar nur ein temporärer.

Dr. Michael Rozijn ist nicht nur Spezialist für den Verkauf und den Erwerb von Marken. Er leitet zudem den Dutch Desk von Schultze & Braun und berät seit vielen Jahren deutsche und niederländische Unternehmen im grenzübergreifenden Geschäft der beiden Länder. Wie sichere Geschäfte mit Partnern aus den Niederlanden gelingen, erläutert Rozijn mit seinem Kollegen Benjamin Schmutz im gemeinsamen Beitrag auf dem Blog. Der Dutch Desk, dem neben Rozijn auch Benjamin Schmutz angehört, betreut zudem zahlreiche grenzüberschreitende insolvenzrechtliche Mandate. 

Dr. Michael Rozijn

ist als Rechtsanwalt bei Schultze & Braun im Bereich Wirtschaftsrecht tätig. Er hat Rechtswissenschaften an der Universität Osnabrück und der Rijksuniversiteit Leiden/Niederlande studiert und ist Fachanwalt für IT-Recht. Seine weiteren Tätigkeitsschwerpunkte sind die Restrukturierungs- und M&A-Beratung, internationales Privatrecht sowie Handels- und Gesellschaftsrecht.