Wie Phönix aus der Grill-Asche

08. November 2021 Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Grill aus! Die insolvente Steakhaus-Kette Maredo entließ im Januar ihre Mitarbeiter und schloss ihre Filialen. Doch nun soll das Feuer in einem neuen Grill wieder neu entfacht werden. Ein Investor will die Marke „Maredo“ mit neuen Restaurants wieder mit neuer Lebensglut füllen.

„Die Glut ist entfacht – für das neue Maredo“ – so heißt es inzwischen auf der Website der Steakhouse-Kette. Mit drei Restaurants startete Maredo zunächst auf kleiner Flamme Investor Georg Voss, der die Rechte an der Marke und der Internetdomain erworben hat, brennt aber darauf, mit weiteren Restaurants an die Erfolge von Maredo aus der Vergangenheit anzuknüpfen. Um im Bild zu bleiben: Mit der Maredo-Glut möchte er eine neue Restaurantkette (wieder) ans Lodern bringen. Und das Anfeuern hat bereits begonnen. Inzwischen gibt es bundesweit sechs Maredo-Steakhäuser.

Der Markenname der – nach Anzahl der Restaurants – einst zweitgrößten Steakhaus-Kette Deutschlands setzt sich aus je zwei Buchstaben aus den Namen seiner drei Gründer Manfred Holl, Karl-Heinz Reinheimer und Udo Schlote zusammen. 1973 wurden die ersten Steaks in der Filiale auf dem Berliner Kurfürstendamm serviert. Nach und nach kamen hierzulande 34 weitere Filialen hinzu. Gastronomie-Unternehmer Voss beabsichtigt, Ende 2021 wieder bis zu ein Dutzend Restaurants unter der Marke Maredo zu betreiben. Ein Phönix aus der Grill-Asche.

Wienerwald, Praktiker, Neckermann und Quelle lassen grüßen

Das Vorgehen bei Maredo reiht sich ein in eine Vielzahl von ähnlich gelagerten Fällen bei anderen Marken. Denn gerade bekannte oder traditionsreiche Marken und die oftmals gleich lautenden Internetdomains können für den Neustart oder den Ausbau von Unternehmen oder Produktlinien das Marketing befeuern. Der Erwerber übernimmt die eingeführte und am Markt bekannte Marke nebst Internetpräsenz und sein Geschäft profitiert vom Ruf und der Bekanntheit der Marke – so ist zumindest die Idee für einen solchen Markenkauf.

Ein Beispiel für die Übernahme einer Marke aus der Gastronomiebranche ist Wienerwald. Nach der dritten Insolvenz der Hähnchenbraterei erwarben die Töchter des Gründers 2007 die Rechte an der Marke Wienerwald, unter der heute Restaurants in mehreren deutschen Städten betrieben werden.

In der Handelsbranche wurden etwa Praktiker mit praktiker.de, Neckermann mit neckermann.de sowie Quelle mit quelle.de als Kombination von Marke und Internetdomain übernommen – auch in diesen Fällen ohne gleichzeitige Übernahme des Unternehmens für eigene Produkte, Leistungen oder Geschäftsbereiche, sondern sie werden häufig auch für Online-Auftritte eingesetzt. 2009 erwarb der Wettbewerber der Quelle GmbH, die Otto Group, die Namensrechte, sprich die Marke „Quelle“. 2011 wurde unter der Marke „Quelle“ ein Verkaufsportal geführt. Seit 2013 dient die Marke als Namensgeber für ein Online-Kaufhaus eines Universalversandhändlers mit den Kernsortimenten Technik und Möbel. Für all diese neuen Bereiche wurde die Marke „Quelle“ nutzbar, ohne dass der Geschäftsbetrieb des ursprünglichen Quelle-Versandhauses übernommen worden war.

Immaterielle Werte: Vernachlässigt, aber auch überschätzt

Marken und Internetdomains stellen sogenannte immaterielle Werte dar. Es handelt sich um Vermögenswerte, die eigenständig oder auch zusammen mit dem gesamten Unternehmen, mit einem einzelnen Betriebsteil oder mit Produktlinien verkauft werden können. Im Rahmen von Insolvenzverfahren steht hiermit dem Insolvenzverwalter ein durchaus attraktiv verwertbarer Wert zur Verfügung, der zugunsten der Gläubiger versilbert werden kann.

Bei Quelle und Neckermann zahlte die Otto Group für die Nutzungsrechte der Marken und der Internetdomains einen beträchtlichen Betrag. Erwerber und Veräußerer schweigen aber zumeist über den Preis solcher Verkäufe. Es überrascht also nicht, dass es nicht bekannt ist, wieviel Kohle Investor Voss für die Marke Maredo „in den Grill geworfen“ hat. 

Generell gilt: Marken und Internetdomains werden bei Unternehmensverkäufen wie auch bei Verwertungen aus der Insolvenz höchst unterschiedlich behandelt. Mal wird ihnen wenig Beachtung bei der Preisfindung geschenkt, da andere Umstände von größerem Interesse sind. Vom Inhaber wird der Wert der Marke indes häufig überschätzt, da die subjektive Wahrnehmung mit der Wahrnehmung und dem Ruf am Markt nicht deckungsgleich ist. Vom Interessenten wiederum wird der Wert häufig klein geredet oder aufgrund professioneller Analysen objektiv bemessen.

Je nach Branche, Marktdurchdringung, Verkaufsanlass und Dauer des Verkaufsprozesses ist kaum ein anderer Vermögensbestandteil so volatil und sensibel wie die Marke – nicht nur, aber eben gerade auch, wenn es sich um ein insolventes Unternehmen handelt. Für den Verkauf aus der Insolvenz ist immer auch der Anlass und der Verfahrenslauf der Insolvenz ein Faktor, der sich auf den Wert der Marke – häufig wertmindernd – auswirkt. Kurz zusammengefasst: Kriminalinsolvenzen verbrennen den Markenwert, ordentliche und geräuschlose Insolvenzverfahren wahren ihn.

Besonderheiten beachten

Grundsätzlich gilt, dass Unternehmen und Insolvenzverwalter bei M&A-Deals bestehende Marken und Internetdomains immer einpreisen und objektiv bewerten sollten. Ansonsten laufen sie Gefahr, einen bedeutenden Teil der Verkaufserlöse liegen zu lassen. Auch kann die Sensibilität der Marke den Verkaufsprozess fördern und beschleunigen, da lange Verkaufsprozesse und öffentliche Bieterprozesse den Markenwert beeinträchtigen können. Es sind daher zahlreiche Besonderheiten bei den Verhandlungen und dem Verkauf zu beachten, insbesondere:

  • Die Preisfindung: Anders als etwa bei Maschinen oder Warenbeständen lassen sich immaterielle Werte vergleichsweise schwer bepreisen, da hierfür viele Faktoren eine Rolle spielen. Subjektive Empfindungen und die Wahrnehmung einzelner Personen reichen hierfür nicht aus. Vielmehr sollten Spezial-Agenturen hinzugezogen werden und entsprechende Marktanalysen mit statistischen Erhebungen bieten demgegenüber wertvolle Grundlagen für die Wertermittlung. Dabei ist aber auch zu beachten, dass es nicht ein einziges Bewertungsverfahren und einen einzigen objektiven Markenwert gibt, sondern unterschiedliche Verfahren anerkannt sind und der jeweils ermittelte Markenwert insofern auch nur eine annäherungsweise Beurteilung für die Preisfindung darstellt. Der „Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.“ (IDW) hat in seinem Standard IDW S5 („Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte“) mehrere Verfahren zur Bewertung von immateriellen Vermögenswerten dargestellt, die von den Wirtschaftsprüfern angewendet werden. Die Ermittlung des Marktwerts und die Entscheidung für ein Bewertungsverfahren sind zugleich Verhandlungsargumente und Basis für die Wirtschaftlichkeitsberechnung beim Markenkauf.
     
  • Der Verkaufszusammenhang: Beim Verkauf zusammen mit materiellen Werten, also zusammen mit dem Unternehmen, einem Betriebsteil oder Produktlinien, wird die Marke häufig „eingepreist“, ohne mit einem eigenen Wert definiert zu werden. Hier wird dann eben das Unternehmen oder die Produktlinie erworben, also das Geschäftsmodell, das unter der Marke geführt wird. Der Verkauf der Marke losgelöst vom Unternehmen oder der Produktlinie wird indes maßgeblich vom Ziel bestimmt, das der Erwerber mit der Marke verfolgt. Es geht hier darum, welchen Mehrwert er sich aus der Marke für sein Geschäftsmodell verspricht.
     
  • Die rechtliche Bewertung: Nicht zu unterschätzen ist die rechtliche Bewertung der Marke, was ebenfalls eine professionelle Untersuchung erfordert. Es geht etwa um die Frage der Verfügungsbefugnis, wer also befugt ist, die Rechte an der Marke zu übertragen, ob es Dritte gibt, die aufgrund von Lizenzen Rechte aus der Marke nutzen dürfen. Besonders wichtig ist die inhaltliche und regionale Reichweite des Markenschutzes, den die Marke genießt, und für welche Klassen sie eingetragen ist. Besteht der Markenschutz nur national oder auch international?

Vor dem Kauf steht die Recherche

Vergleicht man den Verkauf der Marke mit dem Verkauf einer Sache, zum Beispiel einer Maschine, zeigen sich schon sehr bald einige Besonderheiten. Wer eine Sache in Händen hält, gilt zunächst einmal als Eigentümer, der sie auch verkaufen darf. Die Rede ist von der Möglichkeit, gutgläubig die Sache zu kaufen. Mängel sind der Sache oft schon anzusehen.

Die Marke ist immateriell. Wer sie nutzt, muss nicht automatisch Inhaber sein, da er sie entweder rechtswidrig nutzt oder nur eine Lizenz hierfür hat. Einen „Mangel“ der Marke sieht man ihr auch nicht an. Mängel können nur rechtlicher Art sein, etwa aus einer nicht erkennbaren Verpfändung oder dem Fehlen des Nutzungsrechts.

Das Markenregister - zum Beispiel beim Deutschen Patent- und Markenamt – kann Aufschluss geben und ermöglicht die Recherchen zum Rechtszustand der Marke, etwa zum Inhaber, zum Bestehen und zur Reichweite des Markenschutzes. Allerdings ist das Markenregister nicht mit dem gleichen Schutzcharakter ausgestattet wie etwa das Grundbuch für den Grundstückserwerb, so dass der im Markenregister eingetragene Inhaber nicht mit absoluter Rechtssicherheit auch rechtlich berechtigter Inhaber ist.

Eine Marke ist keine Internetdomain

Hat man die Marke, so ist man allerdings nicht auch zwingend Inhaber der gleichnamigen Internetdomain. Diese wird über einen Anbieter, zum Beispiel die Denic eG, vergeben und die Übertragung erfolgt losgelöst von einer Marke. Auch gewährleistet eine sogenannte Wortmarke nicht zwingend das Recht, einem anderen die Nutzung desselben Begriffs als Domain zu untersagen. Auch beim Erwerb von Internetdomains sind also wie beim Erwerb von Marken Besonderheiten zu beachten.

Die Erwerber bestehender Marken oder Internetdomains sollten daher vor dem Kauf gründlich recherchieren, was genau sie erwerben, damit der Kaufpreis richtig investiert ist. Grundlegende Fragen sind:

  • Wie bekannt sind Marke und/oder Internetdomain?
     
  • Ist der Preis für Marke und Internetdomain gerechtfertigt, was ist die Marke für den gewünschten Einsatzzweck wert?
     
  • Wer ist Inhaber der Marke und Internetdomain und welche Nutzungsrechte können vom Verkäufer überhaupt übertragen werden?
     
  • Haben Dritte Rechte an der Marke, zum Beispiel über Lizenzverträge?
     
  • In welchen Ländern genießt die Marke einen Schutz und für welche Produkte und Dienstleistungen?
     
  • Gibt es identische oder ähnliche Marken, mit denen ein Konflikt droht oder die den Markenwert beeinträchtigen können? Gibt es laufende Widerspruchsverfahren?

Es zeigt sich, dass die Bandbreite der Punkte groß ist, die bei der Übernahme einer bestehenden Marke oder Internetdomain geklärt werden sollten.

Last but not least sollten sich Erwerber aber auch darüber im Klaren sein, wie sie mit Marke und Internetdomain nach dem Kauf umgehen wollen. So ist bei Online-Shops etwa die Frage entscheidend, ob die erworbene Domain als selbständiger Shop betrieben werden soll oder nur dazu dient, Nutzer auf das bereits bestehende Angebot des Käufers weiterzuleiten. Auch werden konkurrierende Marken erworben, um sie vom Markt zu nehmen oder sie über entsprechende Adword-Funktionen konfliktfrei zur Weiterleitung auf die eigene Website zu nutzen.

Mischung zwischen Bekanntem und Neuem

Bei Maredo will Investor Voss auf eine Mischung zwischen Bekanntem und Neuem setzen und die Grundausrichtung der Marke für das Steakhaus beibehalten. Künftig soll besonders beim Fleisch, aber auch generell bei den Zutaten der Gerichte ein Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit gelegt werden. Damit will Maredo bei alten wie neuen Kunden punkten und zusätzlich mit fleischlosen Gerichten auch Vegetarier ansprechen. Mittelfristig könnte zudem Medienberichten zufolge das Angebot jenseits des klassischen Restaurantbetriebs ausgebaut werden. Schon vor der Insolvenz gab es in Supermärkten Maredo-Steaks, denen nun Gewürze oder Grills folgen könnten. Die Devise ist klar: Alles soll auf die Marke einzahlen und die Flammen im Grill am Züngeln halten.

Dr. Michael Rozijn

ist als Rechtsanwalt bei Schultze & Braun im Bereich Wirtschaftsrecht tätig. Er hat Rechtswissenschaften an der Universität Osnabrück und der Rijksuniversiteit Leiden/Niederlande studiert und ist Fachanwalt für IT-Recht. Seine weiteren Tätigkeitsschwerpunkte sind die Restrukturierungs- und M&A-Beratung, internationales Privatrecht sowie Handels- und Gesellschaftsrecht.