Vorsorge auf Chinesisch
Der Begriff „Krise“ besteht in der chinesischen Schrift aus den Zeichen für „Gefahr“ und „Chance“. Dr. Elske Fehl-Weileder und Rainer Burkardt erläutern, was deutsche Unternehmen beim Geschäft mit chinesischen Partnern beachten sollten, damit in der Krise die Chance und nicht die Gefahr überwiegt.
Viel Geschäft bedeutet immer auch erhöhtes Risiko. Und gerade, wenn es einmal nicht so läuft wie geplant, ist es von großem Wert, zu wissen, was zu tun ist. Doch welche Möglichkeiten haben deutsche Unternehmen im Fall einer Krise, um ihre Rechte in China wahrnehmen und durchsetzen zu können?
Da sind zum einen die Vorsorge-Möglichkeiten bei der Zusammenarbeit mit chinesischen Lieferanten. Eine Option ist, die Lieferantenbasis durch neue und zusätzliche Lieferanten und Bezugsquellen in China zu erweitern. Vor Ort in China mit einem eigenen Tochterunternehmen für den chinesischen Markt zu produzieren – was für deutsche Unternehmen zunächst verlockend klingt, ist jedoch alles andere als einfach. Denn in China sind der Markteintritt oder -ausbau – im Fall der Fälle aber auch der Marktaustritt – keine leichte Aufgabe. Neben den rechtlichen unterscheiden sich auch die praktischen Rahmenbedingungen in China zum Teil erheblich von denen in Deutschland. Für deutsche Unternehmen kann es daher in bestimmten Fällen zielführender sein, in China nicht mit einem eigenen Tochterunternehmen zu produzieren, sondern mit ausgesuchten chinesischen Geschäftspartnern zusammenzuarbeiten, die die Produktion der gewünschten Güter beispielsweise im Rahmen einer Auftragsfertigung übernehmen.
Wichtig ist aber, sich als deutsches Unternehmen gleichwohl auch für den Fall vorzubereiten, dass der chinesische Geschäftspartner seine vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt. Das gilt nicht nur für eine Produktionspartnerschaft, sondern auch für die Zusammenarbeit mit einem chinesischen Lieferanten.
Wichtig: Strafbewehrte eindeutige Liefer- und Kündigungsfristen sowie Vertragslaufzeiten
Wenn das chinesische Unternehmen seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt, haben deutsche Geschäftspartner die Möglichkeit, Vertragsstrafen zu ziehen oder den Vertrag zu kündigen – gerade mit dem Blick auf mögliche Zahlungsverpflichtungen ohne Gegenleistung oder Warenlieferung. Diese Option kommt jedoch nur in Frage, wenn das deutsche Unternehmen vorher vertraglich eindeutige und bestenfalls strafbewehrte Liefer- und Kündigungsfristen sowie auch Vertragslaufzeiten mit seinem chinesischen Partner schriftlich vereinbart hat. Dadurch wird es dem zuständigen Schiedsgericht in Deutschland oder dem Gericht in China erleichtert, den Fall im Sinne des klagenden deutschen Unternehmens zu entscheiden. Als Gerichtsstand oder alternativ als Ort der Schiedsgerichtsbarkeit sollte China gewählt werden – auch wenn für die meisten deutschen Unternehmen wahrscheinlich Deutschland die erste Wahl wäre. Dies wäre jedoch von Nachteil: Zwischen der Volksrepublik China und Deutschland gibt es keine bi- oder multilateralen Abkommen zur Vollstreckung von ordentlichen Gerichtsurteilen, sodass ein Urteil eines deutschen Gerichtes in der Praxis schwierig oder gar nicht in China durchsetzbar ist.
Eine besondere Herausforderung für deutsche Unternehmen ist, dass fast alle chinesischen Lieferanten – insbesondere kleinere, finanzschwache Hersteller – eine Anzahlung von mindestens 20 Prozent des Kaufpreises verlangen. Im Fall einer Vertragskündigung – auch einer rechtmäßigen – steht der deutsche Kunde vor dem Problem, sich seine geleistete Anzahlung zurückholen zu müssen. Auch wenn sich eine Anzahlung in der Regel nicht komplett vermeiden lässt, können deutsche Unternehmen zumindest vorsorgen, indem sie die Bonität ihres chinesischen Geschäftspartners prüfen. Eine solche Prüfung ist in den vergangenen Jahren aber leider immer schwieriger und sensibler geworden, da die chinesische Regierung verhindern möchte, dass insbesondere Finanzdaten von chinesischen Unternehmen ausländischen Interessenten zugänglich gemacht werden.
Keine Insolvenzantragspflicht
Zu einer Bonitäts-Prüfung gehört für deutsche Unternehmen aber auch, zu prüfen, ob das chinesische Unternehmen, mit dem sie Geschäfte machen wollen, nicht unter Umständen bereits insolvent ist. Was zunächst sonderbar klingt, hat seinen Grund darin, dass es in China keine Insolvenzantragspflicht gibt. Kann ein chinesisches Unternehmen seine Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen, hat das für die handelnden Personen keine unmittelbaren Folgen. Sie müssen, anders als in Deutschland, keinen Insolvenzantrag stellen. Dieser Umstand kann dazu führen, dass ein chinesisches Unternehmen sogar komplett vom Markt verschwindet, ohne dass es zu einer geordneten Abwicklung kommt – verbunden mit allen negativen Auswirkungen für den deutschen Geschäftspartner, der etwa als Kunde eine (Teil)Zahlung geleistet hat, aber seine Ware nicht bekommt, oder als Lieferant auf Forderungen aus offenen Rechnungen sitzen bleibt.
Wenn ein chinesischer Geschäftspartner seine Rechnungen nicht bezahlt oder es Anzeichen dafür gibt, dass er in finanziellen Schwierigkeiten steckt, haben deutsche Unternehmen gleichwohl mehrere Optionen: So können sie etwa einen Insolvenzantrag gegen das chinesische Unternehmen stellen, gegen das sie eine offene Forderung haben. Das ist allerdings durchaus mit einigen Hürden verbunden, denn mitunter ist es alleine schon schwierig, das Gericht ausfindig zu machen, das für das Unternehmen und den möglichen Insolvenzantrag zuständig ist. Der Insolvenzantrag kann aber nur dort gestellt und muss außerdem mit den Nachweisen über die fällige und nicht oder nicht vollständig beglichene Forderung begründet werden.
Zusätzlich sind auch noch Kenntnisse der chinesischen Sprache von Nöten. Denn sowohl der Insolvenzantrag als auch die Nachweise müssen auf Chinesisch eingereicht werden. Hat das deutsche Unternehmen diese Hürden genommen, erhält das chinesische Unternehmen die Gelegenheit, sich zum Insolvenzantrag zu äußern. Kann das Unternehmen, gegen das der Insolvenzantrag gestellt wurde, nicht nachweisen, dass kein Insolvenzgrund vorliegt, wird ein Insolvenzverwalter eingesetzt. Bei diesem kann das deutsche Unternehmen als Gläubiger dann seine Forderung zur Insolvenztabelle anmelden. Ob sich eine Forderungsanmeldung angesichts der damit einhergehenden Kosten lohnt, sollten deutsche Unternehmen als Gläubiger allerdings vorher genau prüfen. Denn auch die Unterlagen, die für die Forderungsanmeldung notwendig sind, müssen in chinesischer Sprache eingereicht werden. Das macht es erforderlich, dass sich ein mit den entsprechenden Rechtstermini vertrauter Übersetzer – vorzugsweise ein Rechtsanwalt – damit befasst.
Empfehlenswerte Alternative
Mit dem Blick auf die Hürden und Kosten eines Insolvenzantrags und der Forderungsanmeldung sowie der in der Regel niedrigen Quoten in einem möglichen Insolvenzverfahren bietet es sich für deutsche Unternehmen an, bereits bei den ersten Anzeichen für Verzögerungen oder Ausfälle von Zahlungen tätig zu werden. Maßnahmen, die außerhalb einer Insolvenz liegen, sind in China eine empfehlenswerte Alternative und sollten als Schritt vor einem Insolvenzantrag ein- und umgesetzt werden.
Deutsche Unternehmen können ausstehende Zahlungen zum Beispiel mit dem entsprechenden Titel eines chinesischen Gerichts durch eine Zwangsvollstreckung eintreiben. Eine Zwangsvollstreckung ist allerdings nur möglich, wenn gegen das chinesische Unternehmen noch kein Insolvenzantrag gestellt wurde. Bei einer Zwangsvollstreckung gegen ein chinesisches Unternehmen sind daher Vorbereitung und Geschwindigkeit maßgebliche Erfolgsfaktoren. Damit die Zwangsvollstreckung ihr Ziel erreicht, muss das deutsche Unternehmen zunächst einmal eine Zahlungsklage beim Gericht in China einreichen, das für seinen Geschäftspartner zuständig ist, und anschließend den Prozess möglichst schnell vorantreiben.
Nicht zu unterschätzender Vorteil
Eine gute Vorbereitung und Schnelligkeit können sich aber im wahrsten Sinne des Wortes auszahlen, denn die Zwangsvollstreckung in China hat für deutsche Unternehmen als Gläubiger einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Findet die Zwangsvollstreckung rechtzeitig und erfolgreich statt, kann das deutsche Unternehmen das Geld, das es durch die Zwangsvollstreckung erlangt hat, in der Regel behalten. Das gilt auch dann, wenn das chinesische Unternehmen oder einer der anderen Gläubiger (kurz) nach der erfolgreichen Zwangsvollstreckung einen Insolvenzantrag stellt. In Deutschland könnte ein Insolvenzverwalter das Geld, das durch die Zwangsvollstreckung kurz vor einem Insolvenzantrag erlangte Geld vom Gläubiger zurückfordern, man spricht in einem solchen Fall von der Insolvenzanfechtung. In China greift die Insolvenzanfechtung in einem solchen Fall jedoch nicht, und das deutsche Unternehmen muss das Geld, das es durch eine Zwangsvollstreckung bis zu sechs Monate vor dem Insolvenzantrag erhalten hat, daher in aller Regel nicht wieder herausgeben. Ein weiterer Vorteil ist, dass das deutsche Unternehmen mit einer Zwangsvollstreckung in China gute Aussichten hat, seine gesamte Forderung zu erhalten – im Gegensatz zu einer Quote in einem Insolvenzverfahren in Deutschland.
Allein der vergleichsweise kleine, aber gleichwohl essentielle Unterschied zwischen dem deutschen und dem chinesischen Rechtssystem bei der Insolvenzanfechtung zeigt, wie wichtig es ist, die Besonderheiten in China zu kennen, um mögliche Risiken wirksam einzudämmen. Ein chinesisches Sprichwort lautet: Wissen ist ein Schatz, der seinen Besitzer überallhin begleitet – und angesichts der Tatsache, dass zwischen Deutschland und China Waren im Wert von mehreren hundert Milliarden Euro gehandelt werden, ist das in diesem Fall wortwörtlich zu verstehen.
Die Autoren
Dr. Elske Fehl-Weileder
Dr. Elske Fehl-Weileder ist Rechtsanwältin und im Geschäftsbereich Internationale Insolvenzverwaltung bei Schultze & Braun tätig. Die Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht ist am Nürnberger Standort der bundesweit vertretenen Kanzlei tätig und Expertin für das chinesische Insolvenzrecht.
Rainer Burkardt
Rainer Burkardt ist Rechtsanwalt und Gründer der Kanzlei Burkardt & Partner. Die in China zugelassene Kanzlei, die vorwiegend den deutschsprachigen Mittelstand bei Investitionen und Geschäften in China berät, wurde vom Kanzleimonitor unter die Top-5 der Rechtsanwaltskanzleien in China gewählt.