Worauf Online-Händler beim E-Commerce-Boom steuerrechtlich achten sollten

Die Buchhaltung ist komplex, die Rechtsvorschriften sind spezifisch und die steuerlichen Pflichten vielfältig: Online-Shops müssen Retouren, unterschiedliche Zahlungsmöglichkeiten und grenzüberschreitende Lieferungen organisieren und abbilden. Wie Online-Händler nicht nur den Bedürfnissen ihrer Käufer, sondern auch den steuerrechtlichen Anforderungen gerecht werden, erläutert Steuerberater Mario Schnurr von Schultze & Braun, der für Unternehmen aus dem E-Commerce zertifiziert ist.
Herr Schnurr, fast jeder kennt es: Kaum bestellt, schon geliefert. Online-Bestellungen sind für Kunden zur Normalität geworden, die Umsätze im E-Commerce steigen kontinuierlich. Der Einzelhandelsverband HDE rechnet für das Jahr 2025 im Online-Handel mit einem Gesamtumsatz von 91 Milliarden Euro – ein neuer Rekordwert. Wie können Online-Händler vom Boom profitieren?
Schnurr: In Deutschland, aber auch weltweit, zeigen die Prognosen für den Online-Handel ein stetiges Wachstum an. Knapp ein Drittel der Menschen in Deutschland kauft inzwischen vorrangig im Internet ein. Online-Bestellungen sind für uns zur Normalität geworden. Und wir haben uns auch daran gewöhnt, dass diese Lieferungen häufig gar nicht mehr direkt von Amazon, Kaufland oder Otto kommen, sondern von Händlern, die diese Plattformen nutzen. Dadurch ist es denkbar einfach geworden, selbst als Verkäufer in den Online-Handel einzusteigen, und schnell Erfolge zu erzielen. Jedoch sollten Neustarter, aber auch etablierte Online-Händler neben formalen Regelungen wie etwa der E-Rechnung oder der Jahresinventur gerade aus steuerlicher Sicht einige Besonderheiten beachten. So sollte jeder Online-Händler von Beginn an die Umsatzsteuer und die Fülle an Transaktionsdaten im Blick haben. Beides muss passen, um später korrekte Steuervoranmeldungen und -erklärungen abgeben zu können. Denn das Finanzamt prüft genau nach, ob die Online-Händler alles richtig machen.
Was ist dabei die größte Herausforderung?
Schnurr: In erster Linie die schiere Masse an Transaktionsdaten. Reichweitenstarke Plattformen wie Amazon, eBay oder Etsy haben den Einstieg in den Online-Handel zunehmend vereinfacht. Damit ist E-Commerce sogar über Ländergrenzen hinweg schnell skalierbar. Doch je höher die Verkaufszahlen, desto mehr Vorgänge müssen bearbeitet werden und desto professioneller muss die dazugehörige Buchhaltung organisiert sein, um die entsprechenden Zahlungen, Rücksendungen, Gutschriften und Gebühren der Plattformen abzubilden und auszuwerten. Die Reports der Plattformen oder selbst erstellte Excel-Tabellen taugen allenfalls bei sehr kleinen Verkaufszahlen. Aber mit der Buchhaltung Marke Eigenbau stoßen Online-Händler schnell an ihre Grenzen, und das sorgt dann schnell für Frust. Besonders komplex kann es werden, wenn der Verkäufer im Online-Handel auf eine Multichannel-Strategie setzt, also seine Produkte auf mehreren Onlinemarktplätzen vertreibt, und vielleicht auch noch einen eigenen Online-Shop betreibt.
Was ist in einem solchen Fall sinnvoll?
Schnurr: Grundsätzlich sollten Online-Händler die buchhalterische und steuerliche Komponente nicht unterschätzen und sich für diese Bereiche in jedem Fall professionelle Unterstützung an Bord holen, die die notwendigen Anforderungen abbilden können. Bei einer Multichannel-Strategie müssen die Schnittstellen zu den Onlinemarktplätzen, den Shopsystemen beziehungsweise dem Warenwirtschaftssystem wie shopify, plentymarkets oder WooCommerce, aber auch den Zahlungssystemen wie PayPal, Amazon Pay oder Mollie zuverlässig funktionieren und die richtigen Daten liefern. Deshalb verfolgen wir immer den gleichen Ansatz. Wir binden jeden Online-Händler von Beginn an über Schnittstellen an. Dadurch können wir die Daten aus den Plattformen oder dem eigenen Online-Shop – oder beidem – direkt ziehen und für die Buchhaltung und die Steuermeldungen und -erklärungen aufbereiten. Gleiches gilt für Zahlungssysteme wie PayPal bis hin zum Bankkonto. Auch diese binden wir elektronisch an und führen in unserer Buchhaltungssoftware Verkäufe und Zahlungen zusammen. Heraus kommt eine perfekt abgestimmte Buchhaltung, auf deren Basis die Steueranmeldungen und -erklärungen valide und schnell erfolgen können. Das Gute ist, dass sich das Prinzip und die Softwarelösung bei jedem nahezu jedem Online-Händler umsetzen lassen. Zusätzlicher Vorteile des Ganzen: Unsere Kunden haben nicht nur ihre Buchhaltung und ihre steuerlichen Belange professionell aufgesetzt, sondern anhand der Daten und Auswertungen auch jederzeit einen Überblick und die Kontrolle darüber, wie sich ihr Geschäft entwickelt.
Das Steuerrecht im Online-Handel ist bereits bei Verkäufen in Deutschland nicht ganz einfach. Was passiert, wenn auch Auslandsverkäufe dazu kommen?
Schnurr: Steuerlich kann es in einem solchen Fall ohne professionelle Unterstützung bei der Buchhaltung und bei steuerlichen Fragen schnell unübersichtlich werden, was zumeist zu Fehlern bei den Steuervoranmeldungen oder ergänzenden Meldungen führt – verbunden mit finanziellen Risiken. Denn Entscheidungen von Händlern im E-Commerce haben in umsatzsteuerlicher Hinsicht eine viel größere Tragweite als bei einem stationären Geschäft. So entstehen beispielsweise bei Teilnahme an den Amazon-FBA-Programmen Mitteleuropa, dem Central Europe Program. Kurz CEE, dem paneuropäischen Versandprogramm, abgekürzt PAN-EU oder dem europäischen Versandnetzwerk EFN umsatzsteuerliche Registrierungspflichten in den entsprechenden Ländern.
Das klingt in der Tat komplex.
Schnurr: Ja, und vor allem ist es aufwändig und grundsätzlich mit einigen Kosten verbunden. Denn die Registrierung muss einzeln für jedes Land beantragt werden, und in jedem Land, in das ein Online-Händler eine Ware verkauft hat, sind einzeln Steuermeldungen beziehungsweise -erklärungen abzugeben. Einfacher ist es, wenn „nur“ die sogenannte Lieferschwelle von 10.000 Euro ins EU-Ausland überschritten wird. In einem solchen Fall ist die Teilnahme am One-Stop-Shop, kurz OSS, möglich. Dann reicht eine zentrale beziehungsweise einmalige Registrierung beim Bundeszentralamt für Steuern. Allerdings hat jedes EU-Land seine eigenen Steuersätze, was der Online-Händler beim Verkauf von Waren ins EU-Ausland beachten muss. Außerdem gelten auch noch andere Regelungen als für den Export in Nicht-EU-Staaten. Hinzu kommt, dass eine rückwirkende Teilnahme am OSS nicht möglich ist, dann bleibt wieder nur die nachträgliche Registrierung im EU-Ausland, was unter Umständen eine Registrierung in zahlreichen Ländern bedeutet – verbunden mit viel Aufwand und Kosten.
Was raten Sie Online-Händlern, die ihr Geschäft international aufstellen wollen?
Schnurr: Als Online-Händler stehen Sie nicht nur national, sondern gerade international gesehen, sehr schnell auch vor umfangreichen steuerrechtlichen Fragestellungen. Zumal im E-Commerce mitunter spezielle Bestimmungen beachtet werden müssen, insbesondere bei der Umsatzsteuer im grenzüberschreitenden Handel, Stichworte sind hier One Stop Shop, kurz OSS und Registrierungspflichten im Ausland. Im Fall der Fälle kann das nicht nur Zeit, Geld und Nerven kosten, sondern schlimmstenfalls auch in ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung münden. Daher ist es spätestens dann ratsam, sich einen auf E-Commerce spezialisierten Berater an die Seite zu holen, wenn ich als Online-Händler damit beginne, Geschäfte mit Kunden außerhalb Deutschlands zu machen.