Neuen Schwung aufnehmen
Die Restrukturierungsexperten Holger Blümle und Patric Naumann haben eine der ersten Sanierungsmoderationen erfolgreich abgeschlossen. Im Interview berichten sie, welche Situation sie meistern konnten, worin die Stärke der Sanierungsmoderation liegt und was das mit einer Ketchupflasche zu tun hat.
Herr Blümle, Herr Naumann, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch! Sie haben eine der ersten Sanierungsmoderationen in Süddeutschland, vielleicht sogar in Deutschland, durchs Ziel gebracht. Wie genau war dabei Ihre Rollenverteilung?
Blümle: Vielen Dank. Ich wurde vom Restrukturierungsgericht bestellt. Meine Aufgabe als Sanierungsmoderator war es, zwischen den Parteien zu vermitteln und eine Lösung zu erarbeiten, der alle Seiten zustimmen konnten.
Naumann: Ich war als insolvenzrechtlicher Berater des Schuldners im Vorfeld tätig und hatte die Idee, dem etwas festgefahrenen Restrukturierungsvorhaben mit Hilfe eines Sanierungsmoderators neuen Schwung zu verleihen. Das hat tatsächlich wunderbar funktioniert.
Wie war die Situation, in der Sie sich für eine Sanierungsmoderation entschieden haben?
Naumann: Wir können natürlich keine Details nennen, weil es sich bei einem solchen StaRUG-Verfahren um ein nicht-öffentliches Verfahren handelt. Gerade das ist ja ein Vorteil des StaRUG. Letztendlich ging es uns darum, festgefahrene Verhandlungen zwischen Schuldner und Gläubigern wieder in Gang zu bringen. Wir hatten bereits mehrere Monate Gespräche über eine außergerichtliche Einigung mit den beteiligten Gläubigern geführt, darunter mehrere Banken. Wir waren auch schon recht weit gekommen. Letztendlich hatten wir aber noch keine Einigung erzielen können, weil einer der Gläubiger noch einmal nachverhandeln wollte.
Sie waren also an einem Punkt angekommen, an dem die Insolvenz drohte?
Naumann: Durchaus. Tatsächlich war der Insolvenzantrag auch schon vorbereitet in der Schublade. Der Schuldner war den Gläubigern schon so weit entgegengekommen wie es ihm in seiner Situation möglich war. Gleichzeitig wollte er unbedingt ein Insolvenzverfahren vermeiden. Er hatte deshalb ein echtes Interesse an einer Einigung und hat sich auch sehr engagiert. Ich hatte ihm dann gesagt, dass es mit der Sanierungsmoderation eine neue Sanierungsmöglichkeit gibt, mit der ich mich schon lange befasst hatte, für die es jedoch noch keine Erfahrung in der Praxis gibt, aber ich würde es wagen. Wir standen also an einem Punkt, wo wir uns entscheiden mussten: Haben wir noch einen Pfeil im Köcher oder müssen wir doch in ein Insolvenzverfahren?
Und da kamen Sie als Sanierungsmoderator ins Spiel, Herr Blümle?
Blümle: Ja. Herr Naumann kam auf mich zu und hat gefragt, ob ich mir diese Rolle vorstellen kann. Da ich auch außergerichtlich als Wirtschaftsmediator, gleichzeitig aber auch als Insolvenzverwalter tätig bin, habe ich diese Aufgabe gerne übernommen, weil meiner Meinung nach die Sanierungsmoderation doch genau für solche Fälle gemacht worden ist. Hier ging es darum, eine neutrale Person in den Verhandlungsprozess einzubringen, die einen unbefangenen Blick auf die Dinge hat. Das Restrukturierungsgericht hat diese Idee unterstützt und mich zum Sanierungsmoderator bestellt.
Wie sind Sie vorgegangen?
Blümle: Ich habe sofort Kontakt zu den Gläubigern aufgenommen, als erstes mit demjenigen, der die Einigung zuvor blockiert hatte. Die Gespräche waren wirklich sehr konstruktiv, die Gläubiger haben gemerkt: Hier ist jemand, der keine speziellen Interessen vertritt, sondern ein echtes Interesse an einer gütlichen Einigung hat und ein Insolvenzverfahren vermeiden will. Denn das hätte wiederum länger gedauert, hätte allen Beteiligten noch einmal einiges abverlangt und wäre im Ergebnis sehr wahrscheinlich deutlich hinter dem geblieben, was wir nun erreicht haben. So aber hat es nicht einmal drei Wochen gedauert bis wir uns auf eine gemeinsame Lösung einigen konnten.
Naumann: Man hat nach der Bestellung von Herrn Blümle als Sanierungsmoderator sehr schnell gemerkt, dass die Verhandlungen wieder Fahrt aufnehmen. Man kann durchaus sagen, dass wir einen Ketchupflaschen-Effekt hatten: Während die Flasche zunächst am Hals etwas verstopft war, hat ein kleiner Anstoß von außen geholfen, dass sich die Blockade lösen konnte und wir ein gutes Ergebnis erzielen konnten. Anders als bei einer Ketchupflasche haben wir aber nichts verschüttet, sondern eine Einigung erzielt, von der alle Beteiligten profitieren – eben auch, weil wir so ein Insolvenzverfahren vermeiden konnten.
Für welche Art von Unternehmen ist eine solche Sanierungsmoderation aus Ihrer Sicht denn grundsätzlich geeinigt?
Blümle: Ich denke, das ist eigentlich unabhängig von der konkreten Unternehmensgröße. Aber es ist ein umso mächtigeres Instrument, je größer das Unternehmen ist. Denn dann geht es sehr schnell um hohe Summen, die für die Beteiligten im Feuer stehen, und eine Insolvenz kann in so einem Fall dann auch besonders große Folgen haben – denken Sie etwa an Arbeitsplatzverluste, Imageschäden oder hohe Ausfälle an Forderungen, die wiederum die davon Betroffenen in Schwierigkeiten bringen können, also beispielsweise Lieferanten oder Kunden.
Naumann: Das kann man ein Stück weit vermeiden, indem man sich im Unternehmen, das auf eine Krise zusteuert, rechtzeitig vor einer konkreten Bedrohung durch eine Zahlungsunfähigkeit mit seinen Optionen auseinandersetzt, die Lage neutral analysiert und dann auf die Gläubiger zugeht, die man für eine Einigung braucht. Das ist nämlich der große Vorteil: Ich muss eben bei einer StaRUG-Restrukturierung nicht alle Gläubiger einbeziehen, wie das bei einer Insolvenz der Fall ist. Sondern ich kann mich auf diejenigen konzentrieren, die ich für die Lösung meines Problems benötige. Mit dem Sanierungsmoderator kommt ein frischer Mann auf den Platz, der nicht in einem Lager steht und der von den Vorgesprächen unbelastet ist.
Welche Voraussetzungen unterstützen eine solche Restrukturierung?
Naumann: Wichtig ist, dass man als Geschäftsführer rechtzeitig die Lage erkennt und entsprechend handelt. Es darf in so einer Situation keine Scheuklappen oder Tabu-Themen geben, denn dann wird es komplexer und damit verliert man den Fokus auf die wichtigen Themen.
Blümle: Mit dem StaRUG haben wir Restrukturierer noch einmal einen kompletten Satz an Werkzeugen hinzubekommen, um ein Unternehmen aus seiner Schieflage zu befreien und finanziell neu aufzustellen. Und wenn die Insolvenz, sowohl als Regelverfahren als auch als Eigenverwaltung, keine Option zu sein scheint, dass ist das StaRUG in einigen Fällen sicher eine gute Alternative.
Vielen Dank für das Gespräch!