Immobilien in Not: Vorteil Zwangsverwaltung

24. April 2024 Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Worauf Banken bei der Schieflage eines Eigentümers oder einer Besitzgesellschaft achten sollten, und welche Vorteile die Zwangsverwaltung einer Immobilie haben kann.


Frau Franke, Herr Bauch, gerade im Bereich der Gewerbeimmobilien steigen für Banken das Risiko von Kreditausfällen und die Bedeutung, Lösungen dafür zu finden, ihre Forderungen zu sichern – und das nicht nur bei noch im Bau befindlichen, sondern auch bei Bestandsimmobilien. Wie sollten sie dabei vorgehen?

Bauch: Grundsätzlich haben Banken die Möglichkeit, einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn der Kreditkunde im Verzug ist. In einem solchen Fall muss die Bank allerdings belegen können, dass der Eigentümer oder die Besitzgesellschaft also insolvenzreif ist. Allerdings gibt es für gesicherte Gläubiger – etwa Banken mit einem Grundpfandrecht – daneben eine weitere Option, ihr Ausfallrisiko zu minimieren: Die Zwangsverwaltung, die im Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, kurz ZVG, geregelt ist, das in seiner ursprünglichen Form am 1. Januar 1900 in Kraft getreten ist. Die Zwangsverwaltung als Instrument kam gleichwohl erst später hinzu.

 

Was ist das Ziel einer Zwangsverwaltung

Bauch: Die Zwangsverwaltung ist als Einzelvollstreckung auf die Befriedigung der Forderungen eines Gläubigers oder weniger Gläubiger fokussiert. Mit der Zwangsverwaltung können also die Forderungen einer besicherten Bank gezielt befriedigt werden – etwa, indem der Zwangsverwalter Erträge wie Mieten und/oder Pacht einzieht und für den oder die Gläubiger sichert. Eine Zwangsverwaltung wird beim Amtsgericht beantragt und kann auch im Fall einer eingetretenen oder möglichen Insolvenz des Eigentümers zum Einsatz kommen. Aus Gläubigersicht kann sie aber auch als Alternative dazu genutzt werden – zum Beispiel, wenn ein Eigentümer eine Immobilie nicht mehr bewirtschaftet oder nicht mehr bewirtschaften kann, oder wenn die Bank schlicht das Vertrauen in den säumigen Schuldner verloren hat.

 

Sie beide waren bereits bei zahlreichen Insolvenzverwaltungen und Zwangsverwaltungen von Immobilien im Einsatz. Welche Maßnahmen ergreifen Sie in solchen Fällen als erstes?

Franke: Die Maßnahmen, die von einem Zwangsverwalter, aber auch einem Insolvenzverwalter bei einer Immobilie als erstes ergriffen werden, sind zunächst darauf ausgerichtet, eine Bestandaufnahme zu ermöglichen. Das geht von der Prüfung der technischen Infrastruktur und eventuell erforderlichen Reparaturen bis zur Erfassung von Versicherungen, Zulassungen oder Genehmigungen – abhängig davon, wie groß die Immobilie ist und ob es sich um eine Wohn-, eine Geschäfts- oder eine Mischimmobilie handelt.

Bauch: Für den Fall, dass die Immobilie vermietet ist, geht es zudem darum, die Mieten einzuziehen und die laufenden Verbindlichkeiten der Immobilie zu begleichen. Oftmals ist es allerdings so, dass eine insolvente oder zwangsverwaltete Immobilie schon ziemlich heruntergewirtschaftet ist. In einem solchen Fall muss ein Verwalter bei den Lieferanten, den Behörden, aber auch den Mietern und den Mitarbeitenden sehr schnell das verloren gegangene Vertrauen wiederherstellen.

 

Sie sprechen von sehr schnell. Welche Rolle spielt der Faktor Zeit bei einer Insolvenzverwaltung oder Zwangsverwaltung einer Immobilie?

Franke: Eine maßgebliche, und er sollte in einer Insolvenzverwaltung, aber auch einer Zwangsverwaltung generell nicht unterschätzt werden – gerade angesichts der zahlreichen Maßnahmen, die während der Verwaltung umgesetzt werden müssen. Zum Beispiel muss die Mieterstruktur bei Bedarf angepasst werden. Das geht von der Bindung und Gewinnung bonitätsstarker Mieter wenn nötig bis zur Trennung von schlechten Mietern. Zudem ist die Abstimmung mit den gesicherten Gläubigern essenziell, da diese die Maßnahmen unterstützen müssen, da sie diese ja auch finanzieren. Neben dem Faktor Zeit ist daher auch die Expertise eines Insolvenzverwalters oder Zwangsverwalters im Immobilienbereich ein Erfolgsfaktor.

 

Welche Bedeutung kommt den laufenden Kosten einer Immobilie zu?

Franke: Die Kosten sind bei einer Immobilie generell ein wichtiger Punkt. Oftmals sind sie ein, wenn nicht sogar der Grund für die finanzielle Schieflage der Eigentümer und/oder der Besitzgesellschaft. Hier kann ein Insolvenz-, aber auch ein Zwangsverwalter im jeweiligen Verfahren viel erreichen – etwa bei den Verträgen mit Lieferanten und Dienstleistern. Die Bewirtschaftung einer Immobilie ist grundsätzlich mit der Fortführung eines Unternehmens vergleichbar. Eine wichtige Frage ist: Können die laufenden Kosten aus den Mieteinnahmen gedeckt werden? Oder anders formuliert: Ist die Immobilie cash-positiv oder cash-negativ?

 

Was passiert, wenn es dabei ein negatives Delta gibt?

Franke: Das kann dann nur von einem Grundpfandgläubiger ausgeglichen werden, der daran etwa mit dem Blick auf den angestrebten Verkauf der Immobilie ein finanzielles Interesse hat. Ein solcher Verkauf kann zum Beispiel im Anschluss an eine Zwangsverwaltung stattfinden.

 

Es gibt bei den Maßnahmen, die im Zuge einer Zwangsverwaltung oder einer Insolvenzverwaltung einer Immobilie ergriffen werden, eine große Schnittmenge. Bestehen zwischen beiden Verfahren auch Unterschiede?

Bauch: Ja, wobei die Besonderheiten einer Zwangsverwaltung gerade für gesicherte Gläubiger wie etwa Banken Vorteile haben. So hat eine angeordnete Zwangsverwaltung auch Bestand, wenn später ein Insolvenzantrag gegen den Eigentümer oder die Besitzgesellschaft gestellt wird.

 

Eine Bank kann also mit einer Zwangsverwaltung ihre Forderungen – etwa an den Mieten einer Immobilie – gegenüber anderen Gläubigern durchsetzen?

Bauch: Ja, und das ist auch dann möglich, wenn diese Gläubiger zum Beispiel in die Mieten pfänden wollen oder dies bereits tun. Zudem sind Mieten, die im Zuge einer Zwangsverwaltung eingezogen werden, weitestgehend vor einer Insolvenzanfechtung geschützt. Der Gläubiger kann sich also in der Regel sicher sein, dass er die eingezogenen Überschüsse behalten darf.

Die Autoren

Die Interviewpartner: Katharina Franke und Rüdiger Bauch sind Fachanwälte für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun. Sie sind als Insolvenzverwalter und Zwangsverwalter tätig.