Freiberufler: Zulassungserhalt nach Plan

14. August 2024 Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Geraten Freiberufler in finanzielle Schwierigkeiten ist der Erhalt der Zulassung von maßgeblicher Bedeutung. Alexander Eggen von Schultze & Braun erläutert, wie ein Insolvenzplan Freiberufler vor dem Verlust der Zulassung bewahren kann.

Herr Eggen, ein Insolvenzverfahren ist für Unternehmer, aber auch für Freiberufler eine Option, die sie unter allen Umständen vermeiden wollen. Sie raten jedoch dazu, lieber zu früh als zu spät einen Insolvenzantrag zu stellen. Warum?

Eggen: Ein Insolvenzverfahren soll nach dem Willen des Gesetzgebers so oft wie möglich nicht das „Aus“ für einen Unternehmer bedeuten, sondern einen nachhaltigen Neuanfang ermöglichen. Damit das bei Freiberuflern, also Ärzten, Apotheker, Anwälte, Versicherungsmakler oder Zahnärzte, gelingt, lohnt ein Blick auf die Besonderheiten dieser Berufsgruppen. Denn Freiberufler geraten selten aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit in eine finanzielle Schieflage. Zumeist sind äußere Umstände der Auslöser.

 

Was können das für Umständen sein?

Eggen: Das können eine Scheidung oder der Ausstieg aus der gemeinsam geführten Kanzlei, Apotheke oder Praxis, aber auch eine Investition sein, die sich nicht rentiert hat. Im Umkehrschluss bedeutet das: Gerade bei akademisch ausgebildeten Freiberuflern ist es in der Regel so, dass ihre originäre berufliche Tätigkeit kostendeckend ist. Die Voraussetzungen für einen finanziellen Neustart mit Hilfe der Instrumente des Insolvenzrechts sind also grundsätzlich gut.

 

Grundsätzlich bedeutet fast immer, dass es wichtige Einschränkungen gibt.

Eggen: Ja, im Fall von Freiberuflern ist es nicht nur eine wichtige, sondern eine entscheidende Einschränkung: Die Sorge um die Zulassung, mit der die berufliche Existenz von Freiberuflern verknüpft ist. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Freiberuflers stellt einen sogenannten Vermögensverfall dar.

 

Was ist die Folge eines solchen Vermögensverfalls?

Eggen: In den meisten Berufsordnungen führt ein Vermögensverfall dazu, dass die Zulassung des Freiberuflers widerrufen wird. Es wird in einem solchen Fall davon ausgegangen, dass der Freiberufler seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann und er damit die Interessen seiner Kunden, Mandanten oder Patienten gefährdet.

 

Gibt es für einen Freiberufler Wege, seine Zulassung in einem Insolvenzverfahren zu erhalten?

Eggen: Ja, doch dabei gilt die Devise: Schnelligkeit ist Trumpf! Denn die Chance für den betroffenen Freiberufler besteht darin, dass er es schafft, seine Vermögensverhältnisse schneller wieder zu ordnen, als die jeweiligen Gremien über den Entzug der Zulassung entscheiden. Basis dafür ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die zwar bereits von Mitte April 2022 stammt, die aber nach wie vor von großer Bedeutung ist.

 

Was besagt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs?

Eggen: Der Senat für Anwaltssachen knüpft in der Entscheidung die Feststellung des Vermögensverfalls wegen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens an den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens. Dabei ist mit Blick auf die Zulassung eines Freiberuflers als Zeitpunkt allein der Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens relevant – also der Erlass des Widerspruchsbescheids oder der Ausspruch der Widerrufsverfügung.

 

Das allein ist ja noch keine Lösung für das Problem des Zulassungsverlusts.

Eggen: Ja, die Lösung ist aber im Fall angelegt, in dem es vor dem BGH ging. In diesem lagen zwischen der Eröffnung des Verfahrens und dem Widerruf der Zulassung des Freiberuflers – einem Anwalt – fast fünf Monate. Ein Zeitraum, in dem es durchaus möglich ist, einen Insolvenzplan zu erstellen und bestätigen zu lassen. Damit wäre dem Widerruf der Zulassung des Freiberuflers die Grundlage entzogen, da seine Vermögensverhältnisse neu geordnet gewesen wären.

 

Was bedeutet das?

Eggen: Ein Insolvenzplan, der schnell erstellt und vom Insolvenzgericht bestätigt wird, kann den Widerruf der Zulassung eines Freiberuflers trotz der Wirkung des Insolvenzverfahrens verhindern und zeigt das große gestalterische Potential des Sanierungsinstruments Insolvenzplan. Zusätzlich zum Erhalt der Zulassung kann mit dem Insolvenzplan auch der Reputationsschaden für den Freiberufler minimiert werden.

 

Hat der Insolvenzplan weitere Vorteile?

Eggen: Ja, vom Insolvenzplan profitieren auch die Gläubiger. Mit Erhalt seiner Zulassung kann der Freiberufler seine berufliche Tätigkeit fortsetzen und dadurch zu einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung beitragen. Will oder muss der Freiberufler seine Geschäftstätigkeit im Rahmen der Insolvenz einstellen, kommen beim Insolvenzplan ebenfalls Besonderheiten zum Tragen. (Anmerkung: siehe Kastentext „Wenn Verluste besser als Gewinne sind“).

Wenn Verluste besser als Gewinne sind

Bei Selbstständigen liegt – wie auch bei Freiberuflern – keine Trennung von geschäftlichem und privatem Vermögen vor. Dies stellt in der Insolvenz ein besonderes Risiko dar. Denn für die Schulden haften der Selbstständige und der Freiberufler dann mit ihrem gesamten Vermögen. Aber auch, wenn eine Insolvenz unumgänglich sein sollte, gibt es Sanierungsverfahren und -instrumente, mit denen man sich finanziell neu aufstellen und sich mit seinen Gläubigern einigen kann.

Eines davon ist der Insolvenzplan, mit dem eine Sanierung grundsätzlich in wenigen Monaten möglich ist – und mit dem auch die Zulassung eines Freiberuflers erhalten werden kann (Anmerkung: siehe Interview „Freiberufler: Zulassungserhalt nach Plan“). Jedoch gibt es bei Selbstständigen und Freiberuflern im Zusammenhang mit dem Insolvenzplan eine Besonderheit, die dann zum Tragen kommt, wenn sie ihre Geschäftstätigkeit im Zuge der Insolvenz einstellen wollen oder müssen. Denn dann kann es sein, dass die Finanzbehörden sogenannte Sanierungsgewinne aufgrund einer Gesetzeslücke steuerlich geltend machen, da Insolvenzpläne für Selbständige unter bestimmten Voraussetzungen im Einkommensteuergesetz nicht steuerbefreit sind, weil dann keine unternehmensbezogene Sanierung vorliegt. Im Interview auf dem Blog von Schultze & Braun erläutert Rechtsanwalt Alexander Eggen, worauf Selbstständige und Freiberufler in einem solchen Fall achten sollten und welche entscheidende Rolle in diesem Zusammenhang Verlustvorträge spielen.

Alexander Eggen

Alexander Eggen ist Rechtsanwalt bei Schultze & Braun. Er leitet den Frankfurter Standort der bundesweit vertretenen Kanzlei und wird in der Rhein-Main-Region an unterschiedlichen Gerichten als Insolvenzverwalter bestellt. Eines seiner Spezialgebiete ist die Unternehmenssanierung.