Kredit. Zweitmarkt. Gesetz(t)
In der deutschen Finanzwirtschaft wird die Zahl der notleidenden Kredite zunehmen. Umso wichtiger ist ein funktionierender und professioneller Kreditzweitmarkt. Jürgen Sonder, der Präsident der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing erläutert im Interview, wie die Mitglieder des Verbands die Voraussetzungen dafür erfüllen.
Herr Sonder, hohe Bestände an notleidenden Krediten haben in der EU nach der globalen Finanzkrise 2007/2008 nicht nur die Bankbilanzen belastet und die Erholung der Finanzwirtschaft deutlich verlangsamt, sondern auch den Neustart der realen Wirtschaft behindert. Welche Konsequenzen haben die Politik und die Finanzwirtschaft daraus gezogen?
Sonder: Die Ausweitung der regulatorischen Aufsicht und die Einführung makroprudenzieller Regulierungsinstrumente zur Vorbeugung systemischer Risiken parallel zur Einführung von strengeren Kapitalanforderungen waren Kernmerkmale der Finanzmarktregulierung nach 2008. Die Implementierung von wirksamen Instrumenten im Risikomanagement wie zum Beispiel des EZB-Leitfadens für notleidende Kredite waren weitere Konsequenzen der Finanzkrise. Der europäische Markt für notleidende Kredite, sogenannte Non-Performing Loans, kurz NPL, sollte deutlich effektiver, transparenter, noch professioneller und für alle Marktteilnehmer attraktiver werden.
Wie soll dieses Ziel erreicht werden?
Sonder: Hier setzt die Kreditdienstleister-Richtlinie an, die Teil des NPL-Aktionsplans der EU-Kommission war. Dieser baute auf vier Säulen auf, darunter die Weiterentwicklung der NPL-Sekundärmärkte. Die Richtlinie, die am 28. Dezember 2021 in Kraft trat, zielt darauf ab, die Effizienz der Sekundärmärkte für NPLs in der EU zu stärken und musste bis zum 29. Dezember 2023 von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland ist sie in das neue Kreditzweitmarktgesetz überführt wurde, das Ende 2023 in Kraft getreten ist. Das Gesetz legt fest, dass Kreditdienstleister für ihre Tätigkeiten auf dem Zweitmarkt nun eine Erlaubnis der Finanzaufsicht BaFin benötigen.
Wie war die BKS als Verband in den Gesetzgebungsprozess eingebunden?
Sonder: Seit 2018 hatte sich die BKS in das Gesetzgebungsverfahren erst zur Richtlinie und dann zu deren Umsetzung im Kreditzweitmarktgesetz konstruktiv eingebracht. Denn Märkte für notleidende Kredite leisten einen wichtigen Beitrag dazu, Risiken effizienter zu verteilen und Finanzsysteme resilienter zu machen. Die EU-Richtlinie und das Kreditzweitmarktgesetz sind wichtige Schritte, um einen europaweit einheitlichen Rechtsrahmen für den Sekundärmarkt notleidender Kredite zu schaffen. Wesentliche Ziele sind dabei die Harmonisierung von Anforderungen an die Zulassung von Kreditdienstleistern, die Schaffung eines einheitlichen Rahmens für Kreditkäufer und Kreditdienstleister sowie die Stärkung der Kreditnehmerrechte. Das Kreditzweitmarktgesetz regelt unter anderem neue Pflichten für Kreditinstitute und Käufer notleidender Kredite, Anforderungen an Kreditdienstleister sowie deren Beaufsichtigung durch die BaFin. Allerdings sollte in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass der deutsche Markt bereits seit vielen Jahren effektiv reguliert und etabliert war. Die Richtlinie zielte in erster Linie auf solche Märkte in der EU ab, die über hohe NPL-Bestände verfügen und gleichzeitig wesentlich weniger reguliert waren als der deutsche.
Wo stehen die Mitglieder der BKS bei den Zulassungen?
Sonder: Während in vielen anderen EU-Ländern mit weitaus höheren NPL-Beständen noch nicht einmal nationale Umsetzungsgesetze verabschiedet wurden, haben die Mitglieder der BKS bereits alle Anforderungen des Kreditzweitmarktgesetzes erfüllt. Das ist insofern von besonderer Bedeutung, da die Mitglieder der BKS bezogen auf das Transaktionsvolumen den größten Teil des deutschen Marktes widerspiegeln. Sie helfen Banken, Sparkassen und Landesbanken, Risikostrukturen durch den Verkauf von notleidenden Darlehensforderungen zu verbessern und Liquidität zu sichern, um Neukredite an Darlehensnehmer zu vergeben. Man kann also durchaus sagen, dass der Kreditzweitmarkt und die Mitglieder der BKS einen wichtigen Beitrag zur Finanzmarktstabilität leisten – und gerade in Krisenzeiten wie jetzt ist das ein nicht zu unterschätzender Faktor auch für die Realwirtschaft.
Benötigen alle Marktteilnehmer eine BaFin-Erlaubnis?
Sonder: Nein, nicht alle Marktteilnehmer oder BKS-Mitglieder benötigen eine BaFin-Erlaubnis, sondern nur solche, die Kreditdienstleistungen im Zusammenhang mit notleidenden Krediten für einen Kreditkäufer erbringen. Eine große Zahl der BKS-Mitglieder hat gleichwohl eine Erlaubnis bei der BaFin beantragt und kann nun EU-weit als Kreditdienstleister tätig werden. Gerade in Zeiten zunehmender Regulierung ist eine starke Verbandszugehörigkeit von unschätzbarem Wert – für die einzelnen Mitglieder, aber auch für den Kreditzweitmarkt und die Finanzwirtschaft als Ganzes. Wir sind stolz darauf, dass die Mitglieder der BKS nun als zugelassene Kreditdienstleister tätig sein können. Und es zeigt das schon vor Einführung des Gesetzes bestehende hohe Niveau beim Verbraucherschutz und der Forderungsbearbeitung oder besser dem Recovery-Management
Wie muss man sich das Zulassungsverfahren vorstellen?
Sonder: Nach Inkrafttreten des Kreditzweitmarktgesetzes hatten Kreditdienstleister zunächst nur bis 16. Februar 2024 Zeit, eine Absichtsanzeige für eine Erlaubnis bei der BaFin einzureichen. Da diese Frist für alle Seiten zu knapp war, akzeptierte die BaFin Anträge bis zum 5. April 2024. FAQs und Vorgaben der BaFin, generelle Informationsveranstaltungen und bilaterale Gespräche mit den Mitgliedsunternehmen von Seiten der BaFin qualifizierten diesen Zulassungsprozess. In diesem Zeitraum durften die Unternehmen zudem ihre zuvor erlaubnisfreien Tätigkeiten bis zum 16. August 2024 weiter erbringen. Seit 17. August 2024 benötigen Kreditdienstleister in Deutschland nun eine Erlaubnis der BaFin.
Jürgen Sonder
ist Präsident der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing, Vorsitzender des Senior Advisory Board der Intrum Gruppe in Deutschland und Mitglied des Beirats des Frankfurter Instituts für Risikomanagement und Regulierung (FIRM). Er ist seit über 35 Jahren in der Finanzdienstleistungsbranche tätig und initiierte und verantwortete Transaktionen über mehrere Milliarden Euro.