Ins Netz gegangen
Statt zur Abwrackwerft fährt der Kutter „SU 24 Birte“ nun wieder auf Krabbenfang. Auslöser war ein LinkedIn-Post des Insolvenzverwalters, durch den sich ein neuer Investor fand. Bei den meisten Investorensuchen wird aber weiterhin der klassische Prozess mit seinen Besonderheiten zum Einsatz kommen.
Es ist auf jeden Fall ein tolles Ergebnis, dass der Insolvenzverwalter über einen LinkedIn-Post einen Investor für „SU 24 Birte“ gefunden hat. Ein insolventes Unternehmen und möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten ist ja neben der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger das Ziel jedes Insolvenzverwalters.
Die Investorensuche über die sozialen Medien wird gleichwohl weiterhin die Ausnahme denn die Regel sein – etwa, wenn wie bei SU 24 Birte alle anderen Versuche keinen Erfolg hatten. Der Insolvenzverwalter des Krabbenkutters hat ja bereits selbst gesagt, dass das finanzielle SOS im Netz seine letzte Hoffnung war.
Zunehmende Bedeutung und Einfluss
Das Beispiel zeigt aber die zunehmende Bedeutung und den Einfluss von Social Media – nicht nur bei der Suche nach einem Investor, sondern auch im Rahmen der Kommunikation in einem Insolvenzverfahren oder einer Restrukturierung nach Außen. Ein Post in einem sozialen Netzwerk hat durchaus das Potential, von sehr vielen Menschen wahrgenommen und geteilt zu werden - Stichwort Schwarmintelligenz. SU 24 Birte zeigt gleichzeitig eindrucksvoll, dass man als Insolvenzverwalter nichts unversucht lassen sollte – insbesondere, wenn es um die Rettung eines krisengeplagten Unternehmens geht
Soziale Netzwerke werden künftig zum Beispiel als zusätzlicher Kanal bei der Suche nach Investor eine größere Rolle spielen. Ein Investorenprozess, der ausschließlich auf LinkedIn, Twitter oder Xing abläuft, ist jedoch gerade bei größeren Unternehmen unrealistisch. Hinzu kommt, dass ein Insolvenzverwalter in den sozialen Medien auch nur bedingt Einfluss darauf hat, wer im Zuge eines Investorenprozesses angesprochen wird oder wer von der Investitionsmöglichkeit etwas mitbekommt. Das ist im klassisch strukturierten M&A-Prozess anders.
Virtuelle Marktplatz-Plattformen als Option
Gleichwohl bedeutet klassischer Investorenprozess nicht, dass dabei alles analog abläuft. So gibt es bereits virtuelle Plattformen, die auf einer Art Marktplatz Unternehmen zum Kauf und Verkauf anbieten. Diese sind zwar meist kostenpflichtig, im Vergleich zu sozialen Netzwerken haben solche Plattformen aber den Vorteil, dass potentielle Investoren über sie wesentlich zielgerichteter angesprochen werden können, was die Erfolgschancen sicherlich erhöht.
Aber auch, wenn virtuelle Plattformen und/oder soziale Netzwerke in den Investorenprozess eingebunden werden, ändert das nichts daran, dass zunächst der vorläufige Gläubigerausschuss (sofern einer eingesetzt wurde) grünes Licht geben muss: Für den Prozess, aber auch für seine Finanzierung. Dies kann eine echte Herausforderung darstellen, etwa, wenn beim insolventen Unternehmen kaum oder sogar überhaupt kein Geld mehr vorhanden ist. In einem solchen Fall sind die Optionen natürlich begrenzt, und man muss als Insolvenzverwalter mitunter kreativ sein. Insbesondere dann, wenn auch die Erfolgschancen für die Sanierung des insolventen Unternehmens nicht sonderlich groß sind.
Aktive Investorensuche als erste Wahl
Grundsätzlich ist die aktive Suche nach einem geeigneten Investor die erste Wahl – gerade bei größeren Unternehmen. In der Regel sucht der Insolvenzverwalter zusammen mit einem M&A-Berater nach passenden Kandidaten. Der Berater erstellt eine Longlist, auf der sowohl strategische als auch Finanzinvestoren stehen. Auf dieser Basis wird dann in Abstimmung mit der Geschäftsführung des insolventen Unternehmens, die den Markt und Wettbewerber kennt, die Short List erarbeitet und damit die anzusprechende Zielgruppe eingegrenzt.
Ist das erfolgt, werden die potentiellen Investoren im nächsten Schritt angesprochen. Diese Ansprache erfolgt mit einem kurzen Teaser über das Unternehmen und dessen Geschäftsbetrieb oder einem längeren Informationsmemorandum. Die angesprochenen potentiellen Investoren dürfen dann – nachdem sie eine Vertraulichkeitserklärung unterzeichnet haben – im sogenannten Datenraum das Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen. Im Anschluss an diesen Schritt im Investorenprozess folgen die unverbindlichen Angebote. Wenn ein potentieller Investor ein solches Angebot abgibt, erhält er zum Beispiel Zugang zur Geschäftsführung und zur zweiten Führungsebene des insolventen Unternehmens oder weitere Unterlagen und umfangreichere Informationen.
Verhandlungen auf der Zielgerade
Wenn die potentiellen Investoren ihre verbindlichen Angebote vorlegen, biegen die Verhandlungen im Rahmen des Investorenprozesses auf die Zielgerade ein. Kommen Insolvenzverwalter und Investor auf einen gemeinsamen Nenner, erfolgt das sogenannte Signing, bei dem der Kaufvertrag unterzeichnet wird. Sind alle Vollzugbedingungen aus dem Kaufvertrag erfüllt, wird die Übernahme mit dem sogenannten Closing abgeschlossen.
Natürlich werden auch die Gläubiger in den Investorenprozess einbezogen. Sie haben bei der Auswahl des Investors eine wichtige Rolle und müssen seinem Angebot am Ende zustimmen. Potentielle Investoren tun also gut daran, ihr Angebot immer auch aus der Perspektive der Gläubiger zu betrachten.
In der Regel profitieren die Gläubiger von einer Auffanglösung für ein insolventes Unternehmen mehr als von dessen Abwicklung. Denn durch eine solche Lösung werden Kosten für die Masse, wie beispielsweise Auslauflöhne der Mitarbeiter oder Auslaufmieten vermieden. Zusammen mit dem Kaufpreis für das insolvente Unternehmen führt das zu einer Entlastung auf der Passivseite, sodass die Gläubiger durch einen höheren Anteil auf ihre Forderungen doppelt profitieren.
Dr. Jürgen Erbe, MBA
ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht bei Schultze & Braun. Er wird im Raum Mannheim und Frankfurt an verschiedenen Gerichten bestellt und hat bereits zahlreiche Unternehmen in ihren Insolvenz-, Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren begleitet – als Insolvenzverwalter, Sachwalter und als CRO.