Gesellschafterausschluss: Was zu tun ist, um im Fall der Fälle schnell wieder handlungsfähig zu sein
Wie in einer Ehe sind im Wirtschaftsleben die Gesellschafter einer Unternehmung eng miteinander verbunden. Jedoch gibt es sowohl im Ehe- als auch im Wirtschaftsleben keine Garantie dafür, dass die Verbindung für immer hält – mitunter trennt man sich zudem nicht im Guten. Thomas Dömmecke von Schultze & Braun erläutert im Interview, warum sich gerade in solchen Fällen Vorsorge im wahrsten Sinne des Wortes auszahlen kann – auch vor dem Hintergrund einer aktuellen Entscheidung des BGH zur Wirksamkeit eines Gesellschafterausschlusses.
Herr Dömmecke, wie wichtig ist der Punkt Vorsorge in einem Gesellschaftsvertrag?
Dömmecke: Kurz gesagt: Sehr wichtig! Die Bedeutung der Vorsorge lässt sich aber auch gut mit den Zeilen „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet, der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.“ aus dem bekannten Gedicht „Das Lied von der Glocke“ von Friedrich Schiller beschreiben. In einer Ehe ist es wie im Wirtschaftsleben –zu Beginn einer Verbindung denkt keine Seite an eine Trennung oder will auch nur daran denken. Gleichwohl ist es essentiell, dass man den Fall der Fälle im Blick hat und im Gesellschaftsvertrag berücksichtigt.
Das wäre dann so etwas wie ein Ehevertrag für das Wirtschaftsleben?
Dömmecke: Ja, durchaus. Damit die Reue im Fall der Fälle finanziell gesehen nicht zu groß wird, gibt es den Ehevertrag, in dem auch das Vorgehen im Scheidungsfall festgelegt ist. Im Wirtschaftsleben ist ein solcher Fall mit dem Ausscheiden, insbesondere dem Ausschluss eines Gesellschafters vergleichbar, der im Gesellschaftsvertrag geregelt sein sollte.
Sie sagen „sollte“ – bewusst?
Dömmecke: Definitiv, denn der Gesellschafterausschluss ist in einem Gesellschaftsvertrag nicht automatisch aufgeführt. So ist etwa im Musterprotokoll zur Gründung einer GmbH und im dazugehörigen Muster-Gesellschaftsvertrag, die seit 2008 genutzt werden können, der Ausschluss eines Gesellschafters oder die Einziehung seines Geschäftsanteils nicht geregelt. Das kann für die verbleibenden Gesellschafter nicht nur teuer werden, sondern die Trennung unter Umständen sogar komplett verhindern.
Das heißt: Wenn es im Gesellschaftsvertrag keine Regelungen gibt, kann ein Gesellschafter nicht ausgeschlossen werden?
Dömmecke: Ganz ausgeschlossen ist ein Gesellschafterausschluss ohne vertragliche Regelung nicht. Er ist grundsätzlich als letztes Mittel möglich, allerdings muss ein solcher Ausschluss zunächst per Gerichtsentscheid bestätigt werden. Allein, bis ein solches Urteil ergeht, können bereits ein bis zwei Jahre vergehen, wenn es in die nächste Instanz geht auch deutlich länger.
Wenn die gerichtliche Entscheidung vorliegt, ist der Ausschluss dann aber direkt wirksam?
Dömmecke: Zumindest war das bislang bei einer GmbH nicht automatisch so. Vielmehr musste nach der gerichtlichen Entscheidung über das „Ob“ des Ausschlusses auch noch die Abfindung gezahlt werden, damit der Gesellschafter ausscheidet. Insbesondere dann, wenn es zur Berechnung dieser Abfindung keine verbindliche Regelung im Gesellschaftsvertrag gab, fand über deren Berechnung der nächste Streit, möglicherweise wieder über mehr als eine Instanz, statt. Es konnte also insgesamt vor Gericht durchaus mehrere Jahre dauern, bis ein Gesellschafterausschluss wirksam wurde. Wenn es denn überhaupt so weit kam, denn gerade bei Unternehmen in einer Krise steht ja die Frage im Raum, ob sich das Unternehmen die Abfindung überhaupt noch leisten kann.
Nun hat sich der Bundesgerichtshof mit den Voraussetzungen für einen Gesellschafterausschluss befasst. Was haben die Karlsruher Richter entschieden?
Dömmecke: Mit seiner aktuellen Entscheidung sorgt der Bundesgerichtshof beim Gesellschafterausschluss in der GmbH für eine generelle Verkürzung und eine Vereinfachung. Ein Gesellschafterausschluss wird bereits mit dem Gerichtentscheid wirksam und nicht erst bei Zahlung der Abfindung. Das Besondere an der Entscheidung ist, dass Gesellschaften bei Streitigkeiten unter den Gesellschaftern, die in eine Trennung münden, nun schneller wieder handlungsfähig sind. Denn oftmals geht der Ausschluss eines Gesellschafters mit einer Hängepartie für die Gesellschaft einher, die negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung hat.
Ist die BGH-Entscheidung für alle Gesellschaften anwendbar – also die mit und ohne entsprechende Regelungen im Gesellschaftsvertrag?
Dömmecke: Die Entscheidung des BGH verkürzt und vereinfacht den Ausschluss eines Gesellschafters für GmbHs ohne vertragliche Regelung. Enthält der Gesellschaftsvertrag hingegen eine Regelung zum Ausschluss beziehungsweise zur Einziehung, so geht diese vor. Regelmäßig ist in gut beratenen Gesellschaftsverträgen ein Ausscheiden bereits mit Beschlussfassung der Gesellschafter vorgesehen, also ohne Gerichtsverfahren. Ist in einem Gesellschaftsvertrag hingegen in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung festgelegt, dass ein Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters erst mit der Auszahlung der Abfindung erfolgt, dann ändert die Entscheidung des BGH daran nichts.
Welche Punkte sind neben der Wirksamkeit beim Ausscheiden eines Gesellschafters noch von Bedeutung?
Dömmecke: Zusätzlich zur Wirksamkeit umfasst das Ausscheiden eines Gesellschafters eine Vielzahl von Fragen, auf die Antworten gefunden werden müssen, die für beide Seiten akzeptabel sind. Ein wichtiger Punkt ist, im Gesellschaftsvertrag nicht nur detaillierte Regelungen für den Fall eines Gesellschafterausschlusses oder der Einziehung – also, wenn sich ein Gesellschafter etwas zu Schulden kommen lassen hat – vorzusehen, sondern auch den Fall zu regeln, dass ein Gesellschafter aus freien Stücken ausscheidet oder sich die Gesellschafter schlicht trennen wollen, ohne dass es einen Good Guy und einen Bad Guy gibt. Dafür gibt es unterschiedliche Optionen, die je nach individueller Situation der Gesellschaft und der Gesellschafter geprüft und dann eine davon gewählt werden sollten. Sie betreffen sowohl die Frage, wer geht und wer bleibt als auch die Höhe der Abfindung. Hier muss eine objektive und angemessene Regelung gefunden werden, einschließlich der Möglichkeit, einen beiderseits anerkannten Gutachter einzusetzen, dessen Wort dann auch gilt.
Grundsätzlich gilt also für das Ehe- wie auch das Wirtschaftsleben: Es lohnt sich, in guten Zeiten für die schlechten vorzusorgen – auch wenn die beste Vorsorge natürlich die ist, die nie zum Einsatz kommen muss.