Damoklesschwert Kurzarbeit: Wie Unternehmen bei Kurzarbeitergeld finanzielle Risiken vermeiden

12. Juli 2024 Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Alexander von Saenger und Joachim Zobel von Schultze & Braun erläutern, worauf Unternehmen bei der Prüfung von erhaltenem Kurzarbeitergeld achten sollten.

Trotz der ausbleibenden wirtschaftlichen Erholung sind vor einem Jahr die Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld zum 30. Juni 2023 ausgelaufen. Gerade während der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen von diesen Erleichterungen profitiert und manches Unternehmen wäre ohne die Möglichkeit der Kurzarbeit sicherlich nicht mehr am Markt. Auch wenn die Kurzarbeit in der Industrie in Deutschland einer aktuellen Umfrage des ifo-Instituts von den Rekordständen der Corona-Zeit weit entfernt sei, liege sie derzeit auf erhöhtem Niveau.

Enormer administrativen Aufwand und Vorlage zahlreicher Unterlagen

Nach wie vor stehen die Überprüfungen von beantragtem und vorläufig bewilligtem Kurzarbeitergeld an, und darauf sollten sich Unternehmen administrativ und finanziell vorbereiten. Denn die grundsätzlich notwendigen Überprüfungen des Kurzarbeitergeldes sind mit einem enormen administrativen Aufwand und der Vorlage zahlreicher Unterlagen verbunden.

Die Prüfungen sind für die betroffenen Unternehmen zudem von besonderes großer Bedeutung, da die wirtschaftliche Erholung weiter auf sich warten lässt und die finanzielle Situation in so manchem Unternehmen alles andere als entspannt ist. Da können eventuelle Rückzahlungen von mitunter bereits vor mehreren Jahren erhaltenem Kurzarbeitergeld durchaus existenzgefährdende Auswirkungen haben.

Prüfung durch die Agentur für Arbeit: Besonderes Augenmerk auf fünf Punkte wichtig

Um für eine Prüfung durch die Agentur für Arbeit vorbereitet zu sein, sollten Unternehmen daher besonderes Augenmerk auf die nachfolgenden fünf Punkte legen und dafür sorgen, dass die entsprechenden Nachweise und Unterlagen vorliegen:

  • Neu- und/oder Ersatzeinstellungen: Dokumentation und Nachweis der Notwendigkeit von Neu- und/oder Ersatzeinstellungen von Mitarbeitenden im Kurzarbeitergeldzeitraum.
  • Besondere Abwesenheitszeiten: Dokumentation von besonderen Abwesenheitszeiten der Mitarbeitenden – beispielsweise bei Erkrankung, Covid-19-Quarantäne, Mutterschutz, Elternzeit, Urlaub oder Freistellung und von Änderungen dieser Abwesenheitszeiten im Laufe des Kurzarbeitergeldzeitraums.
  • Geplante Arbeits- und Abwesenheitszeiten und Arbeitszeitmodell: Dokumentation und transparente Nachweise zu den konkreten Planungen der Arbeits- und Abwesenheitszeiten („Soll-Arbeitszeit“) und des angewendeten Arbeitszeitmodells. 
  • Tatsächliche Arbeits- und Kurzarbeitszeiten: Dokumentation und transparente Nachweise zu tatsächlichen Arbeits- und Kurzarbeitszeiten („Ist-Arbeitszeit“).
  • Vermeidung der Kurzarbeit: Darstellung des Prüf- und Umsetzungsprozesseses zur Vermeidung der Kurzarbeit, insbesondere vorherige Urlaubsgewährung, Nutzung von Arbeitszeitkonten und betriebsinternen zumutbaren „Ausweichtätigkeiten“.

Das Kurzarbeits-Damoklesschwert hängt über Unternehmen jeder Größe

Die mögliche Rückforderung von Kurzarbeitergeld birgt für die betroffenen Unternehmen ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen zumindest einen Teil des erhaltenen Kurzarbeitergeldes zurückzahlen muss, ist sehr hoch. Ein Grund dafür ist, dass das Kurzarbeitergeld gerade während der Corona-Pandemie zumeist ohne die üblicherweise im Vorfeld stattfindenden Beratungen der Agentur für Arbeit vorläufig bewilligt wurde. Die Unternehmen haben die erhaltenen Gelder unmittelbar an die Arbeitnehmer in Kurzarbeit ausgezahlt, wodurch ihnen dieses Geld natürlich nicht mehr für eine Rückzahlung zur Verfügung stehen kann. Über so manchem Unternehmen hängt damit ein mitunter Millionen Euro schweres Kurzarbeits-Damoklesschwert.

Kurzarbeitergeld in Milliardenhöhe – Prüfungen nicht auf die leichte Schulter nehmen

In Deutschland waren in der Spitze im April 2020 fast sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit. Die Bundesagentur für Arbeit hat in den Jahren 2020 bis 2022 insgesamt 45,5 Milliarden Euro für Kurzarbeitergeld auszahlen. Diese Summe allein zeigt, welche finanzielle Herausforderung in der Prüfung des Kurzarbeitergeldes steckt. Hinzu kommt: Zum Großteil haben die Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden in der Pandemie in Kurzarbeit geschickt haben, immer noch oder schon wieder mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Grund sind hier nach der Überwindung der Pandemie etwa die Energiekrise und die damit verbundenen hohen Energiekosten, der inflationsbedingten Konsumzurückhaltung vieler Verbraucher oder der Transformation der Wirtschaft wie etwa vor allem im Automotive Bereich. Das Thema Kurzarbeit dürfte der deutschen Wirtschaft also noch eine ganze Weile erhalten bleiben – und Unternehmen tun gut daran, die Prüfung und mögliche Rückzahlung von erhalten Geldern nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Die Autoren: Alexander von Saenger und Joachim Zobel sind Rechtsanwälte und Fachanwälte für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun. Sie sind an den Standorten in Bremen und Nürnberg der bundesweit vertretenen Kanzlei tätig. Zu ihren Spezialgebieten zählen das Sanierungsarbeitsrecht und die Beratung von Unternehmen rund um das Thema Kurzarbeit.