BGH ermöglicht es für kurz vor Antragstellung gebuchte SEPA-Lastschrifteinzüge die Anfechtungsvoraussetzungen zu schaffen

12. Dezember 2022 Blog Insolvenzrecht

Der anfechtungsrechtlich relevante Zeitpunkt für SEPA-Lastschriften liegt wegen vertraglicher Stornierungsfristen in Bankverträgen in der Regel zwei oder drei Bankarbeitstage nach der Belastungsbuchung des Schuldnerkontos. Die Wirksamkeit von kurz vor Insolvenzantragstellung erfolgten SEPA-Lastschriften ist während der Stornierungsfrist zwar nicht verhinderbar. Durch Information der Einziehenden über den Insolvenzantrag während der Stornierungsfrist können aber u.U. die Anfechtungsvoraussetzungen gegenüber dem Empfänger der Zahlung entstehen.

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Karsten Kiesel

Rechtsanwalt

BGH: Bei SEPA-Lastschriftzahlungen ist idR der Zeitpunkt der vorbehaltslosen Einlösung durch die Schuldnerbank für die Insolvenzanfechtung maßgeblich

InsO § 140
BGH, Urteil vom 13.10.2022 - IX ZR 70/21 – IX ZR 70/21 (OLG München)

I. Leitsatz des Verfassers
Eine Zahlung im Wege der SEPA-Lastschrift ist erst mit ihrer vorbehaltlosen Einlösung durch die Schuldnerbank insolvenzanfechtungsrechtlich vorgenommen worden.

II. Sachverhalt
Der Kläger verlangt als Sachwalter der Schuldnerin die Erstattung einer Zahlung, die der Beklagte im Rahmen eines SEPA-Lastschriftmandats erhielt. Seine Anfechtung nach § 130 I S. 1 Nr. 2 InsO stützt der Kläger auf eine im maßgeblichen Zeitpunkt bei der Beklagten bestehende Kenntnis des Insolvenzantrages.

Der Beklagte zog den Zahlbetrag am 12.11.2019 ein. Am 14.11.2019 erfolgten die Belastung des Kontos der Schuldnerin, die Wertstellung beim Beklagten, der Eingang des Insolvenzantrags sowie die Anordnung der vorläufigen Eigen­verwaltung. Der Beklagte wurde am 15.11.2019 vormittags vom Eröffnungsantrag informiert, der zur Insolvenzeröffnung am 1.2.2020 führte.

Nach den von zwischen der Schuldnerin der ihr Konto führenden Bank vereinbarten allgemeinen Geschäftsbedingungen waren „Lastschriften […] eingelöst, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag […] nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht“ werden.

Die Vorinstanzen hatten der Klage stattgegeben. Die zugelassene Revision blieb ohne Erfolg.

III. Rechtliche Wertung
Der XI. Zivilsenat meint, die Lastschrift sei im Rechtssinne nach Erlangung der Kenntnis vom Eröffnungsantrag durch den Beklagten eingelöst worden. Durch die vorbehaltlose Einlösung der Schuldnerbank träten im SEPA-Lastschriftverfahren im Verhältnis zum Lastschriftschuldner die gem. § 140 I InsO insolvenzanfechtungsrechtlich relevanten rechtlichen Wirkungen ein.

Im Valutaverhältnis zwischen dem zahlungspflichtigen (Insolvenz-)Schuldner und dem Forderungsgläubiger träte die Erfüllungswirkung zwar grds. mit der vorbehaltlosen Gutschrift der Empfängerbank auf dem Empfängerkonto ein. Die nach der Belastungsbuchung ggf. bestehende Möglichkeit eines Erstattungsverlangens nach § 675x II, IV BGB innerhalb von acht Wochen hindere den Eintritt der Erfüllungswirkungen nicht.

Insolvenzanfechtungsrechtlich komme es allerdings nicht auf die Erfüllungswirkungen im Valutaverhältnis an, sondern auf die endgültige Verfügung des Schuldners im Deckungsverhältnis und das Erlangen einer gesicherten Rechtsposition durch den Zahlungsempfänger. Maßgeblich sei die vorbehaltlose Einlösung der Lastschrift durch die Schuldnerbank.

Eine nach der Zustimmung zum Lastschriftmandat erfolgte Buchung sei wirksam und der Schuldner habe idR keine Möglichkeit mehr, seiner Bank den Aufwendungsersatzanspruch zu entziehen. Die Lastschrift werde allerdings wie beim früheren Abbuchungsverfahren erst mit der Einlösung durch die Schuldnerbank wirksam. Wann diese eine Lastschrift als eingelöst ansieht, könne vertraglich im Zahlungsdienstrahmenvertrag geregelt werden, wobei die entsprechende Regelung hier nicht nach § 307 I, II Nr. 1 BGB unwirksam sei. Vor Ablauf der vereinbarten zweitägigen Stornierungsfrist sei die Lastschrift nicht vorbehaltlos eingelöst. Die bis zu acht Wochen bestehende Möglichkeit zur Ausübung des Rechts gem. § 675x I BGB durch den Schuldner habe auch insoweit keinen Einfluss auf den Bestand der Belastungsbuchung. Es bestehe ein eigenständiger Anspruch und die Autorisierung der Belastungsbuchung werde dadurch nicht beeinflusst. Der Zahlungsempfänger erhalte seinerseits aufgrund eines entsprechenden Vorbehalts in den AGB-Banken kein unentziehbares Recht, solange der Schuldner nicht endgültig verfügt habe.

Die Einlösung setze als Rechtshandlung einen entsprechenden Willen der Schuldnerbank voraus. Gem. der AGB-Banken sei die Lastschrift eingelöst, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht werde. Eine Vordisposition bzw. deren Verlautbarung durch die Schuldnerbank sei nicht dargetan oder erkennbar.

IV. Praxishinweis
Mit der Entscheidung stellt der BGH bzgl. des SEPA-Lastschriftverfahrens klar, dass für die Bestimmung des insolvenzanfechtungsrechtlich maßgeblichen Zeitpunkts nicht (alleine) die vorbehaltlose Gutschrift auf dem Konto des Zahlungsempfängers maßgeblich ist. Zusätzlich sind die Einlösung durch die Schuldnerbank und der Wegfall des Vorbehalts erforderlich. In der Praxis werden gem. der AGB-Banken/AGB-Sparkassen die rechtlichen Wirkungen mit Ablauf des zweiten (bzw. bei SEPA-Firmenlastschriften u.U. des dritten) Bankarbeitstages nach Einlösung bei der Schuldnerbank eintreten. Damit können für entsprechende Belastungen, bei denen die Stornierungsfrist noch läuft, durch die sofortige Information des Gläubigers über den Insolvenzeröffnungsantrag die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung der Lastschriftzahlung nach §  130 I Nr. 2 2. Alt InsO geschaffen werden. Eigen- und Insolvenzverwalter sowie die Eigenverwalter und deren Berater haben dies künftig zu berücksichtigen.

Nicht geklärt ist, ob und ggf. unter welche Voraussetzungen bei der SEPA-Basislastschrift das Unterlassen der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs gem. § 675x BGB als eigenständige Rechtshandlung der Insolvenzanfechtung unterliegt und insoweit der anfechtungsrechtlich maßgebliche Zeitpunkt gem. § 140 I, III InsO mit Ablauf der Acht-Wochen-Frist des § 675x IV anzunehmen ist (MüKoInsO/Kirchhof/Piekenbrock InsO § 140 Rn. 17; K. Schmidt InsO/Büteröwe InsO § 140 Rn. 8). Nach der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH fällt der Anspruch aus § 675x BGB aber in analoger Anwendung des § 377 I BGB nicht in die Insolvenzmasse. Damit wird es für eine Anfechtbarkeit m.E. an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung iSd § 129 I InsO fehlen.

Rechtsanwalt Karsten Kiesel  

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