Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie in Europa
Von Patrick Ehret, Rechtsanwalt und Avocat (AMCO), frz. Fachanwalt für internationales Recht und EU-Recht
Die im Rahmen des Programms der Europäischen Union zur Schaffung einer Kapitalmarktunion verabschiedete Restrukturierungsrichtline sieht eine Umsetzung in die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten bis zum 17. Juli 2021 vor. Bekanntlich hat der deutsche Gesetzgeber mit dem SanInsFoG und dem darin enthaltenen StaRUG die Vorgaben aus Europa zur Errichtung eines präventiven Restrukturierungsrahmens bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2021 umgesetzt. Neben dem deutschen Gesetzgeber haben auch Griechenland und Österreich die Richtlinie rechtzeitig in das nationale Recht übertragen. Die Niederlande haben ebenfalls zum 1. Januar 2021 das viel beachtete und auch im deutschen Gesetzgebungsverfahren erwähnte Gesetz zur gerichtlichen Genehmigung von Privatvergleichen (Wet Homologatie Onderhands Akkoord, kurz WHOA) und damit das Verfahren eines privaten Zwangsvergleichs außerhalb des Konkurses (akkoordprocedure buiten faillissement) eingeführt. Es handelt sich dabei allerdings nicht um das eigentliche Umsetzungsgesetz, sondern ein Gesetzesvorhaben, welches ein im Wesentlichen richtlinienkonformes Präventivverfahren einführt, aber bereits vor Verabschiedung der Richtlinie initiiert worden war.
Um einem Vertragsverletzungsverfahren zu entgehen, hat eine Vielzahl von Mitgliedstaaten von der in Art. 34 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit einer Verlängerung des Umsetzungszeitraums Gebrauch gemacht. Danach können Mitgliedstaaten, die „bei der Umsetzung dieser Richtlinie auf besondere Schwierigkeiten stoßen“, höchstens ein weiteres Jahr in Anspruch nehmen. Begründet wurde die Fristverlängerung typischerweise und wenig überraschend mit der Pandemiesituation. Neben dem Mehraufwand im Zusammenhang mit dem Erlass entsprechender Ad-hoc-Gesetze sahen sich die Mitgliedstaaten angesichts von krankheitsbedingten Ausfällen oder der pandemiebedingten Neudefinition der Arbeitsabläufe auch mit organisatorischen Problemen konfrontiert. Bis zum 17. Juli 2022 sollten dann alle Mitgliedstaaten im „New Normal“ angekommen sein und sind gehalten, ihr nationales Recht entsprechend der Vorgaben aus Brüssel angepasst zu haben.
Die Umsetzungsbemühungen in den einzelnen Mitgliedstaaten sind unterschiedlich weit gediehen. Liegen beispielsweise in Luxembourg, Rumänien und Litauen bereits Gesetzesentwürfe vor, die teilweise bereits im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren sind und eine Verabschiedung im Jahre 2021 als wahrscheinlich erscheinen lassen, sind andere Länder, wie beispielsweise Kroatien, Slowenien, Tschechien und die Slowakei, mit der Erarbeitung von Referentenentwürfen oder diesbezüglichen Konsultationen beschäftigt. In Polen wird mit der Präsentation des Gesetzentwurfs vor Ende 2021 gerechnet. Der französische Gesetzgeber dagegen war bereits im Jahre 2019 zur Umsetzung per Verordnung durch das Parlament ermächtigt worden. Obwohl die frz. Präventivverfahren weitgehend als richtlinienkonform eingestuft worden waren und der geringe Regelungsbedarf eine rasche Umsetzung erhoffen ließ, gestaltete sich die Einpassung in das bestehende Rechtssystem schwieriger als erwartet. Dies lag zum einen an der parallel laufenden Reform des frz. Sicherheitenrechts und zum anderen an der Einführung der dem frz. Recht bisher gänzlich unbekannten Gläubigerklassen und des Cross-Class-Cram-Downs. Die Verordnung N° 2021-1193 vom 15. September 2021 und das Anwendungsdekret N° 2021-1218 vom 23. September 2021 sind am 1. Oktober 2021 in Kraft getreten. Die Umsetzung in Italien erfolgte anlässlich einer großen Insolvenzrechtsreform, die bereits im Jahr 2015 initiiert wurde und im Erlass des codice della crisi d’impresa e dell’insolvenza am 12. Januar 2019 seinen vorläufigen Abschluss fand. Trotz erster Nachbesserungen im August 2021, insbesondere mit der Kreation der zum Teil der Sanierungsmoderation vergleichbaren composizione negoziata per la soluzione della crisi d’impresa, bleibt noch Anpassungsbedarf, dem es bis Juli 2022 nachzukommen gilt.
Die Flexibilität der Vorgaben der Richtlinie hat es den Mitgliedstaaten ermöglicht, präventive Restrukturierungstools in verschiedenen Verfahrensausformungen zur Verfügung zu stellen, die sich, ggf. in zeitlicher Abfolge, komplementieren oder alternativ zur Anwendung kommen können. So kann die deutsche Sanierungsmoderation wie ihr Vorbild, die frz. Conciliation, als Vorstufe zum Restrukturierungsrahmen oder dem Insolvenzverfahren verstanden und genutzt werden. Dagegen sieht das neue griechische Restrukturierungsrecht zwei strikt getrennte Verfahren vor. Zum einen ein rein internetbasiertes Verfahren zur Restrukturierung von Finanzverbindlichkeiten ohne Gerichtsbeteiligung, welches sowohl vom Schuldner als auch von einem Gläubiger (ausschließlich Banken, die öffentliche Hand oder Sozialversicherungsbehörden) angestoßen werden kann und eine Laufzeit nach Verlängerung von zweieinhalb Monaten nicht überschreiten darf. Bei Zustimmung von 60 % der Finanzgläubiger (davon mindestens 40 % gesicherte Gläubiger) – die Zustimmung staatlicher Gläubiger erfolgt unter bestimmten Voraussetzungen automatisch – wird die Minderheit gebunden. Zum anderen wurde ein Verfahren eingeführt, welches die Restrukturierung der Passivseite – mit oder ohne Verkauf von Betriebseinheiten – per gerichtlicher Planbestätigung ermöglicht, sofern 50 % der besicherten Gläubiger und 50 % der betroffenen Gläubiger (bzw. 60 % aller Gläubiger) unter Einhaltung des Best-Interest-Tests zustimmen. Die lange Verfahrensdauer, zwischen Gerichtsverhandlung und Entscheidung sollen sechs bis neun Monate liegen, geht mit einem Vollstreckungsverbot von sechs Monaten vor und bis zu zwölf Monaten ab Antragsstellung sowie einer Privilegierung neuer Finanzierung zum Zwecke der Betriebsfortführung einher.
Der österreichische Gesetzgeber hat sein Restrukturierungsverfahren um zwei Unterformen ergänzt: Im sogenannten europäischen Restrukturierungsverfahren kann anders als im Restrukturierungsverfahren die bis zu sechs Monate dauernde Vollstreckungssperre alle Gläubiger umfassen, diese können wiederum zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert werden, und schließlich haben die bevorrechteten Gläubigerschutzverbände ein Akteneinsichtsrecht. Beim sogenannten vereinfachten Verfahren kann eine dissentierende Minderheit von Finanzgläubigern – ohne Abstimmung bei Gericht – durch eine gerichtliche Bestätigung bei Vorliegen einer 75%igen Forderungsmehrheit gebunden werden. Abweichend zum Restrukturierungsverfahren darf die Eigenverwaltung nicht beschränkt werden, ein Restrukturierungsbeauftragter ist nicht zu bestellen. Auch eine Vollstreckungssperre ist nicht anzuordnen.
Trägt die Multiplikation nationaler Präventivverfahren bereits nicht wirklich zur Übersichtlichkeit bei, welche Verfahren den Unternehmern wo zur Verfügung stehen, wurde dieser Trend dadurch verstärkt, dass mehrere Mitgliedstaaten noch vor Umsetzung der Richtlinie zum Teil zeitlich befristete Sonderverfahren für KMU zur Bewältigung der Folgen der Pandemie verabschiedet haben. In Frankreich wurde bereits im Mai 2021 ein Sanierungsverfahren für (teil-)zahlungsunfähige KMU (weniger als 20 Arbeitnehmer und weniger als 3 Millionen Euro Verbindlichkeiten) kreiert. Dafür ist bereits bei Antragstellung darzulegen, dass
- binnen drei Monaten nach Verfahrenseröffnung ein den Fortbestand des Unternehmens sichernder Plan vorgelegt werden kann
- und die Arbeitnehmerforderungen bisher bedient wurden und weiter bedient werden.
Nach einer vereinfachten Forderungsprüfung kann das Gericht sodann den Gläubigern eine Befriedigung ihrer Forderungen per Schuldenbereinigungsplan über zehn Jahre auferlegen.
Der irische Gesetzgeber hat am 13. Juli 2021 den Small Company Administrative Rescue Process (SCARP) Bill verabschiedet, der 98 % der irischen Unternehmen eine schnelle und kostengünstige Alternative zum Examinership bieten soll. Mithilfe eines Insolvency professional als sogenannten process advisor haben KMU, die drohend oder bereits zahlungsunfähig sind, aber eine realistische Überlebensperspektive haben, die Möglichkeit, einen Restrukturierungsplan einer Gläubigerversammlung zur Abstimmung vorzulegen. Der Plan ist angenommen, wenn zumindest eine Gruppe betroffener Gläubiger mit einer Mehrheit von über 50 % der Forderungswerte zustimmt. Sofern kein Gläubiger Rechtsmittel gegen den Plan einlegt, kann das Verfahren innerhalb von sieben Wochen ohne Gerichtsbeteiligung beendet werden. Lediglich im Falle von Rechtsmitteln oder sofern der Plan keine Mehrheit findet und ein entsprechender Antrag seitens des irischen Restrukturierungsbeauftragten gestellt wird, entscheidet das Gericht über den Plan.
Die Richtlinie beinhaltet keine Definition der Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz und oblässt es ausdrücklich den umsetzenden Mitgliedstaaten, die Höhe der Zutrittsschwelle zum präventiven Rahmen zu definieren. Entsprechend unterschiedlich sind die nationalen Lösungen bisher ausgestaltet: So stellt das niederländische Recht darauf ab, ob vernünftigerweise angenommen werden kann, dass das Unternehmen seine Verbindlichkeiten bei Fälligkeit nicht begleichen kann. Nach der österreichischen Restrukturierungsordnung (ReO) ist die Insolvenz wahrscheinlich, wenn der Bestand des Unternehmens ohne Restrukturierung gefährdet wäre, was insbesondere bei drohender Zahlungsunfähigkeit gegeben ist. Ferner wird die Bestandsgefährdung vermutet, sobald die Eigenmittelquote 8 % unterschreitet und die fiktive Schuldentilgungsdauer 15 Jahre übersteigt. Bei Vorliegen der Überschuldung einer juristischen Person, ohne zahlungsunfähig zu sein, hat diese die Wahlmöglichkeit zwischen Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren. Im frz. Recht konnten die Präventivverfahren bereits bei rechtlichen, wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten – vorhersehbar oder bereits eingetreten – genutzt werden, was sich auch nicht durch die Umsetzungsverordnung geändert hat. Die Karenzzeit zwischen den Verfahren divergiert ebenfalls stark: Muss ein Unternehmen sich in den Niederlanden bei Scheitern seines Plans drei Jahre gedulden, bevor seinerseits ein neuer Anlauf gestartet werden kann, besteht in Österreich kein solches Einleitungshindernis, solange keine materielle Insolvenz und die damit einhergehende Antragspflicht vorliegt. Dagegen kann in Österreich ein Unternehmen erst sieben Jahre nach erfolgreichem Abschluss des Restrukturierungsverfahrens rezidivieren.
Mit dem Restrukturierungsplan soll die Bestandsfähigkeit des krisenbehafteten Unternehmens dauerhaft sichergestellt werden. Dies soll insbesondere durch die Änderung der Zusammensetzung, der Bedingungen oder der Struktur der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Schuldners erreicht werden.
Klassischerweise kann der Plan die Stundung oder Kürzung von Verbindlichkeiten oder die Umwandlung von Gläubigerforderungen in Anteils- oder Mitgliedsrechte vorsehen. Die Umsetzung eines Debt-to-Equity-Swaps kann allerdings, so beispielsweise in Österreich, von einer gesellschaftsrechtlichen Umsetzung abhängen. Im deutschen Gesetzgebungsverfahren war darüber zunächst auch die Möglichkeit der Beendigung gegenseitiger, nicht beiderseitig vollständig erfüllter Verträge vorgesehen, bevor die Vorschriften durch den Rechtsausschuss gestrichen wurden. Das niederländische Verfahren beinhaltet weiterhin diese Möglichkeit, was insbesondere für den stationären Einzelhandel und die Gastronomie als vorteilhaft angesehen wird. Voraussetzung ist jedoch die Bestätigung des Plans seitens des Gerichts und eine angemessene Kündigungsfrist, wobei drei Monate ab Planbestätigung explizit als in jedem Fall ausreichend eingestuft werden. Das irische SCARP-Verfahren sieht ebenfalls die Möglichkeit einer Vertragsbeendigung im Planverfahren vor. Die Vertragsbeendigung steht hier unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Genehmigung, die nur ergeht, sofern der Restrukturierungserfolg und das Überleben des Unternehmens davon abhängen. Die österreichische ReO sieht – dem deutschen Beispiel folgend – keinen Bedarf, hier vom Konsensualprinzip Abstand zu nehmen.
Entsprechend dem StaRUG reizt das österreichische Umsetzungsgesetz die Richtlinienvorgaben dahin gehend aus, dass eine Dreiviertel-Summenmehrheit zur Annahme des Plans erreicht werden muss. Die ReO fordert darüber hinaus das Erreichen einer Kopfmehrheit. Die Mehrheiten sind per anwesender Gläubiger je Gruppe bzw. im Falle eines Verfahrens ohne Gruppenbildung – wie bei KMU möglich – hinsichtlich aller anwesenden betroffenen Gläubiger zu berechnen. In Frankeich und den Niederlanden reichen dagegen bereits eine 66%-Summenmehrheit in der jeweiligen Gruppe, ohne dass kumulativ eine Kopfmehrheit zur Anwendung käme. Entsprechend der Richtlinie sehen die Umsetzungsgesetze in Deutschland, Österreich, Frankreich und das WHOA in den Niederlanden die Möglichkeit des sogenannten Cross-Class-Cram-Downs, daher das Majorisieren einer dissentierenden Gläubigergruppe vor. Zum Schutz der Interessen der überstimmten Gruppe sollen Mitgliedstaaten sicherstellen, dass diese mindestens ebenso günstig wie andere gleichrangige Klassen und günstiger als alle nachrangigeren Klassen gestellt werden. Die ReO setzt diese sogenannte Regel des relativen Vorrangs in Art. 36 um. Die deutschen, französischen und niederländischen Vorschriften statuieren dagegen über die Absolute- Priority-Rule und dem Grundsatz der vollumfänglichen Befriedigung, bevor eine nachrangige Klasse nach dem Restrukturierungsplan eine Auszahlung erhält, einen höheren Schutz, lassen aber explizit Ausnahmen zu.
Die Richtlinie hatte den Mitgliedstaaten aufgegeben, neue Finanzierungen oder Zwischenfinanzierungen insbesondere vor Anfechtungsrisiken zu schützen. Solche Safe-Harbour-Vorschriften sind sowohl im niederländischen WHOA als auch in der ReO und dem StaRUG zu finden. Der französische Gesetzgeber hatte bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie ein Fresh-Money-Privileg in der Conciliation eingeführt, sodass kein Änderungsbedarf bestand. Im Rahmen der Richtlinienumsetzung wurde nunmehr darüber hinaus ein sogenanntes Post-Money-Privileg, d. h. die bevorzugte Behandlung der nach Insolvenzeröffnung dem Unternehmen zur Verfügung gestellten Finanzmittel, eingeführt. Dadurch wird die Stundung oder Kürzung dieser Verbindlichkeiten im Rahmen eines Plans ausgeschlossen. Diese Lösung wurde für die Regelverfahren des 6. Buches des frz. HGBs auf Dauer eingeführt und gilt für Finanzmittel,
- die für die Betriebsfortführung nach Genehmigung des verfahrensüberwachenden Richters,
- die im Rahmen eines gerichtlich bestätigten Plans im Regelverfahren oder
- die im Rahmen einer gerichtlich bestätigten Planänderung
zur Verfügung gestellt wurden.
Für die europaweite Anerkennung der nationalen Präventivverfahren bedarf es der Aufnahme des Verfahrens, respektive des Verwalters, in die Anhänge der EuInsVO. Eine solche Aufnahme ist allerdings entsprechend der in Art. 1 EuInsVO normierten Definition nur dann möglich, wenn es sich um ein öffentliches Verfahren handelt. Das Inkrafttreten der die Publizität regelnden §§ 84 ff. StaRUG erst am 22. Juli 2022 schließt eine solche Aufnahme daher zunächst aus. In Österreich kommt lediglich das europäische Restrukturierungsverfahren dafür infrage. Der seit Mai 2021 vorliegende Legislativentwurf der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aktualisierung der Anhänge A und B der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren betrifft so auch keine Verfahren, die der Richtlinie entstammen. Vielmehr betreffen die Notifizierungen aus Italien, Litauen, Zypern und Polen nationale Reformgesetze, die auch Verfahren beinhalten, die noch nicht in Kraft getreten sind.
Die Niederlande dagegen haben bereits im Rahmen dieses laufenden Gesetzgebungsverfahrens die öffentliche Version ihres Präventivverfahrens (openbare akkoordprocedure buiten faillissement) zur Aufnahme in den Anhang A angemeldet. Wie im deutschen StaRUG hat sich der niederländische Schuldner bei Verfahrensbeginn für die öffentliche oder die konfidenzielle Variante der akkoordprocedure zu entscheiden. Es sah sodann lange danach aus, dass das niederländische Verfahren als Erstes in den Genuss der europaweiten automatischen Anerkennung kommen und mit einem gewissen Vorsprung in das Rennen um den attraktivsten Restrukturierungsstandort in Europa geht. Diese Rechnung wurde allerdings ohne den frz. Gesetzgeber gemacht. Dieser hat darauf verzichtet, zur Umsetzung der Richtlinie ein neues Verfahren zu kreieren oder gar ein neues Gesetz zu erlassen. Vielmehr wurden die bereits bestehenden präventiven Schnellverfahren der sauvegarde accélérée und der semikollektiven, auf Finanzverbindlichkeiten beschränkten sauvegarde financière accélérée fusioniert und an den Richtlinienvorgaben neu ausgerichtet. Der so geschaffene Restrukturierungsrahmen, die sauvegarde accélérée, war bereits vor der Reform im Anhang A der EuInsVO gelistet, sodass das Verfahren auch mit den inhaltlichen Änderungen in den Genuss der europaweiten automatischen Anerkennung kommt, ohne dass – wie beim niederländischen WHOA oder dem deutschen StaRUG-Verfahren – eine Anpassung der EuInsVO-Anhänge vorgenommen werden müsste.
Ob die Aufnahme nationaler Verfahren in den Anhang A der EuInsVO zu einer neuen Blütezeit des Forum Shoppings führen wird, bleibt abzuwarten. Dies hat sowohl den deutschen als auch den österreichischen Gesetzgeber nicht davon abgehalten, eine verkürzte Dauer des Vollstreckungsschutzes für diejenigen Unternehmen vorzusehen, welche ihren Sitz weniger als drei Monate vor der ersten Inanspruchnahme von StaRUG-Instrumenten bzw. vor der Beantragung der Vollstreckungssperre verlegt haben. Ob es dessen, angesichts der Attraktivität anderer Restrukturierungsstandorte, bedurfte und ob dadurch Forum Shopping vermieden wird, darf bezweifelt werden.