Immobilienwirtschaft: Die CO2-Debatte als disruptives Ereignis
Von Dipl.-Betriebswirt Christian Alpers, zertifizierter Wertermittler für Immobilien (IHK), Partner bei der Falkensteg GmbH, und Rüdiger Bauch, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht
Auch in der Immobilienwirtschaft trifft man immer häufiger auf das Kürzel „ESG“. Es steht für: Environmental, Social, Governance. Environmental steht hierbei für Umweltbelange, Social für die Sozialverträglichkeit und Governance im Sinne von Corporate Governance für die Unternehmensleit- und Führungskultur. Gemeint ist damit ein nachhaltiges Investment, welches die Umwelt sowie soziale Belange berücksichtigt, und dies unter der Maßgabe verantwortungsvoller Unternehmensführung. Im Folgenden beziehen sich Ausführungen auf das „E“, also auf die Umweltbelange.
Der Gedanke der Umweltverträglichkeit nimmt in der Investmentplanung einen immer wichtigeren Rang ein, verdeutlich wird dies etwa an der klaren Haltung des weltweit größten Finanzdienstleisters BlackRock. CEO Larry Fink schrieb in diesem Jahr, dass Nachhaltigkeit ein zentraler Standard für künftige Investments sein wird. Das Kriterium Environment ist kein Zusatzkriterium mehr, sondern ein wirtschaftlicher Faktor – und dies betrifft auch die Immobilienwirtschaft.
Der Staat ist einer der Akteure, der eine entsprechende Entwicklung vorantreibt, weswegen ein kurzer historischer Rückblick unerlässlich ist. Staatliche Interventionen im Bereich der Immobilienwirtschaft haben in Deutschland eine lange Tradition. Das zentrale Werkzeug ist hierbei das öffentliche Baurecht, denn insbesondere die Neuerrichtung von Bauwerken unterliegt seit jeher umfassenden staatlichen Regulierungen. Der Staat hat in der Planungsphase eines Gebäudes über das Genehmigungsverfahren eine umfassende Gestaltungs- und Kontrollmöglichkeit. Dabei lag der Fokus zu Beginn jedoch weniger auf dem Schutz der Umwelt als vielmehr auf der reinen Reduktion des Energieverbrauchs und damit der geringeren Abhängigkeit von Primärenergieträgern.
Wegen der Ölpreiskrise im Jahr 1974 trat die erste Fassung der Wärmeschutzverordnung am 1. November 1977 in Kraft. Diese schrieb die Ausführung eines baulichen Wärmeschutzes bei der Errichtung von Gebäuden mit dem Ziel der Reduzierung des Energieverbrauchs vor. Diese Verordnung war ein Novum, denn sie war die erste bundesweit verbindliche Verordnung zur Festlegung eines energetischen baurechtlichen Standards. Diese magische Grenze des Jahres 1977 ist bis heute relevant, weil für vor 1977 errichtete und seitdem unsanierte Gebäude nur ein Bedarfsausweis als Energieausweis erstellt werden darf.
Die Wärmeschutzverordnung wurde mehrfach modifiziert, d. h. in ihren Anforderungen verschärft und an neuere technische Standards angepasst. So stammt die zweite Wärmeschutzverordnung aus dem Jahr 1984, die dritte aus dem Jahr 1995. Schließlich wurde am 1. November 2020 das Gebäudeenergiegesetz eingeführt. Am 1. Februar 2002 wurde die Wärmeschutzverordnung in ihrer letzten Form durch die Energieeinsparverordnung abgelöst. Die Energieeinsparverordnung hat auch Elemente der Heizungsanlagenverordnung übernommen, die 1978 in Kraft getreten war und bis zur letzten Fassung im Jahr 1998 mehrfach bearbeitet worden war.
Schließlich kam im Jahr 2009 das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz hinzu. Mit diesem Gesetz legte der Gesetzgeber erstmals eine Nutzungsflicht von erneuerbaren Energien für neu errichtete Gebäude fest, wodurch die Abhängigkeit von externen Energieträgern weiter reduziert, aber auch der Umstieg auf erneuerbare Energien vorangetrieben werden sollte. Diese Gesetze und Verordnungen wurden schließlich im Jahr 2020 mit dem Gebäudeenergiegesetz verbunden, wodurch der Bund die gesetzlichen Grundlagen zur energetischen Gestaltung von Gebäuden zusammengeführt hat. Dieses hat aber auch Neuerungen mit sich gebracht, wozu das weitgehende Verbot des Einbaus von Ölheizungen ab dem Jahr 2026 zählt.
Seit den 1970er-Jahren hat der Bundesgesetzgeber also konsequent und kontinuierlich an den energetischen Standards im Immobilienbereich gearbeitet, auch in Zukunft wird regelmäßig nachjustiert und auf den technischen Fortschritt eingegangen werden müssen. Im Ergebnis kann man dennoch feststellen, dass die gesetzlichen Eingriffe ihre Funktion erfüllt haben. Trotz des Umstands, dass seit 1977 mehr als 1,75 Milliarden m2 an Wohnfläche errichtet wurden, konnte der Verbrauch an Endenergie für Beheizung und Warmwassererzeugung bis 2018 um 10 % verringert werden. Die Entkopplung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Energieeffizienz wurden erreicht.
In der aktuellen Diskussion zeigt sich, dass dies alles nur erste Schritte waren und mit einer massiven Verschärfung von Vorschriften gerechnet werden muss, denn es besteht dringender Handlungsbedarf, will man einen umfassenden Klimaschutz gewährleisten. Der Klimaschutzplan der deutschen Bundesregierung, abgeleitet aus dem Pariser Klimaabkommen, sieht bislang vor, dass Gewerbeimmobilien bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein sollen.
Die Maßnahmen müssen noch weitreichender werden, denn jüngst wurde durch das Bundesverfassungsgericht das im Bund verabschiedete Klimaschutzgesetz als nicht hinreichend ambitioniert angesehen. Es stellte eine Veranlassung der Bundesregierung zum hinreichenden Klimaschutz fest, da ein Nichthandeln hier einen Eingriff in die Freiheit künftiger Generationen darstelle. Die Bundesregierung ist zwischenzeitlich aktiv geworden. Hinzukommen soll hier entweder eine unmittelbare CO2-Bepreisung, jedenfalls aber ein erheblicher Kostenaufschlag auf den Energieverbrauch (CO2-Aufschlag). Eine Gesetzesvorlage liegt noch nicht vor. Sicher ist aber, dass mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 und der politischen Aufarbeitung der „Jahrhundertflut“ im Juli 2021 erhebliche Änderungen folgen werden.
Gewinn, Rendite, Wachstum – lange Zeit richtete die Immobilienwirtschaft ihr Handeln nahezu ausschließlich an ökonomischen Kriterien aus. Ebenso wie es in nahezu allen Wirtschaftsbereichen viele Jahre üblich gewesen war. Die Güte eines Investments bemaß sich vor allem am monetären Ertrag. So einfach ist es heute nicht mehr. Neben ökonomischen Faktoren gewinnen zunehmend auch ökologische sowie soziokulturelle Kriterien an Bedeutung. Als Treiber wirkt dabei insbesondere der Klimawandel. Hitzewellen, Naturkatastrophen sowie ein steigender Meeresspiegel erzwingen ein Umdenken auf allen Ebenen der Gesellschaft. Auch in der Immobilienwirtschaft. Die Bundesregierung hat – im Einklang mit entsprechenden Vereinbarungen auf EU-Ebene – ein ehrgeiziges Ziel formuliert: Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Das macht eine schnelle Transformation nahezu aller Lebensbereiche nötig. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Immobilienwirtschaft zu. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hatte im Juni 2021 mitgeteilt, dass Gebäude in Deutschland im Jahr 2020 etwa 120.000,00 Kilotonnen CO2-Emissionen produziert haben. Spätestens im Jahr 2050 soll der Bestand nahezu klimaneutral sein. Möglich wird das nur sein, wenn die Nutzung eines wesentlichen Teils der Gebäude einen erheblich geringeren Energiebedarf erfordert und zugleich verstärkt erneuerbare Energien genutzt werden.
Das wiederum erfordert eine gewaltige Kraftanstrengung. Energieeffiziente Neubauten sind das eine, zum anderen muss der Immobilienbestand saniert werden. Bewährte Maßnahmen wie gedämmte Fassaden, optimierte Fenster oder auch neue Heizungsanlagen allein werden nicht ausreichen, um die notwendige CO2-Einsparung zu erreichen. Gesucht werden neue technische Lösungen, die effizient und wirtschaftlich sind. Zudem muss das Tempo, mit dem Bestandsgebäude unter Klimagesichtspunkten modernisiert werden, deutlich erhöht werden. Seit Langem werden im bundesweiten Durchschnitt alljährlich nur etwa ein Prozent der Häuser und Wohnungen energetisch „fit“ gemacht. Dafür geben die Eigentümer viel Geld aus. Zuletzt waren es mehr als 40 Milliarden Euro pro Jahr. Das zeigt bereits nennenswerte Erfolge: Im Jahr 2020 war der Gebäudesektor für den Ausstoß von 120 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten verantwortlich. 30 Jahre zuvor waren es noch 210 Millionen Tonnen gewesen.
Mit der fortschreitenden Sanierung reduziert sich der Energieverbrauch der Immobilien. Gleichzeitig wird immer mehr erneuerbare Energie verwendet. Im vergangenen Jahr waren umweltfreundliche Wärmepumpen die wichtigste primäre Energiequelle für Heizungsanlagen. Dennoch bleibt viel zu tun. Denn schon 2030 soll der Gebäudebereich nur noch einen Ausstoß von 67 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten aufweisen. Dies wird mit der aktuellen Sanierungsquote nicht möglich sein, vielmehr muss diese auf mindestens 3 % erhöht werden.
Wenn nicht mehr allein die Rendite über die Vorteilhaftigkeit einer Investition entscheidet, sondern auch andere, nachhaltige Kriterien, bedeutet das dann zwingend einen Verzicht auf Rendite? Das muss keinesfalls so sein. Im Gegenteil: Immobilieninvestoren, die ESG-konform handeln, verbessern die Qualität ihres Portfolios und schaffen damit Perspektiven für höhere Mieterträge. Wer dagegen Nachhaltigkeitsaspekte beharrlich ignoriert, muss sowohl mit Umsatz- als auch mit Gewinneinbußen rechnen und wird den Anschluss an den Wettbewerb verlieren. Warum ist das so?
Zunächst ein Blick auf die unmittelbaren Kosten. Der Einsatz nachhaltiger Technologien treibt die Baukosten. Neubauten, die etwa auf Geothermie oder Solarenergie setzen, sind teurer als Projekte, die auf solche energetischen Maßnahmen verzichten. Bei Bestandsimmobilien korrelieren die meist ohnehin hohen Umrüstungskosten häufig mit dem Zeitpunkt der Maßnahme. Erfolgt etwa der Austausch einer Heizungsanlage im Rahmen eines ohnehin anstehenden umfangreichen Umbaues, ist er logischerweise preiswerter als während eines Nutzungszyklus.
Abgefedert werden die Kosten für energieeffizientes Bauen und Sanieren durch öffentliche Förderungen in Form direkter Zuschüsse oder vergünstigter Kredite, etwa von der staatlichen KfW-Bank sowie den Investitionsbanken der Länder. Auch der Kapitalmarkt unterstützt nachhaltige Investments. Wer sich über Green Bonds oder ESG-linked Loans Finanzmittel verschafft, erhält in vielen Fällen bessere Konditionen. Voraussetzung dafür ist, dass das Geld ausschließlich für nachhaltige Projekte einsetzt wird (so bei Green Bonds) oder sich der Kreditnehmer zur Einhaltung bestimmter Nachhaltigkeitsziele verpflichtet und dann frei ist in der Verwendung der Mittel (so bei ESG-linked Loans).
Auf der Kehrseite stehen Immobilien, die diesen Kriterien nicht entsprechen. Typischerweise werden Investitionen von Eigentümern verschleppt, denen es an Liquidität und Finanzierungswürdigkeit fehlt und die früher oder später zu Schuldnern in der Einzelvollstreckung oder der Insolvenz werden. Beispielsweise dürfen ab dem Jahr 2026 keine Ölheizungen mehr installiert werden, auch nicht als Ersatzanlage. Ein Zwangs- oder Insolvenzverwalter, der eine solche Immobilie im Beschlag hat, wird sich in einer problematischen Situation befinden. Wirtschaftlich wird in der Regel der erstrangige Grundpfandgläubiger in die Tasche greifen und Versäumnisse des Schuldners beheben müssen.
Aber auch außerhalb der akuten Krise werden ESG-Standards die Fragen von (Re-)Finanzierung und Verwertung zumindest mitbestimmen. ESG-nonkonforme Immobilien werden sich in den nächsten Jahren zur Belastung entwickeln. Es ist daher ratsam, dass sich Finanzierer sehr frühzeitig mit diesen Fragen und Standards auseinandersetzen.
Bei der Betrachtung des Ertrags ESG-konformer Investitionen ist zwischen ökonomischen und nicht unmittelbar ökonomischen Erträgen zu unterscheiden. Wer bei Investitionen in Immobilien stets darauf achtet, welche Wirkung diese für Umwelt und Menschen haben, stärkt seine Reputation – in der breiten Öffentlichkeit und auch in der eigenen Branche. Das hat keine unmittelbaren Folgen für die Liquidität, schafft aber viele Vorteile im Wettbewerb und immer häufiger auch auf dem Arbeitsmarkt. Ein solcher Investor muss sich zudem nicht vor Sanktionen fürchten, die der Staat zur Erreichung der gesteckten Klimaziele möglicherweise ergreifen wird.
Umgekehrt kann die mangelnde Berücksichtigung von ESG-Kriterien folgenschwere, langfristige Konsequenzen für ein Immobilienunternehmen haben.
Das leitet über zu den direkten ökonomischen Effekten ESG-konformer Investitionen. Vor allem (große) institutionelle Investoren orientieren ihre Entscheidungen bereits heute zunehmend an nachhaltigen Kriterien. So haben etwa Versicherungen ein ureigenes Interesse, in ökologisch vorteilhafte Objekte zu investieren. Denn so können sie den schadenverursachenden Auswirkungen des Klimawandels mit immer extremeren Wetterphänomenen entgegenwirken. Börsennotierte Unternehmen müssen Nachhaltigkeitsberichte erstellen und sich kritischen Fragen ihrer eigenen Kapitalgeber und Finanzierer stellen. Für die Immobilienwirtschaft bedeutet das: Die ESG-Qualität eines Objektes wird zu einem Marktwert beeinflussenden Faktor. Solange das Angebot an nachweislich nachhaltigen Immobilien gering ist, wird die steigende Nachfrage den Preis für entsprechende Objekte treiben. Mit steigendem Angebot werden ESG-konforme Immobilien mit der Zeit zum Marktstandard werden. Das bremst die Aussicht auf weitere Preissteigerungen.
Auf der anderen Seite droht nicht nachhaltigen Immobilien ein sich beschleunigender Wertverfall, weil die Nachfrage nach solchen Gebäuden in Zukunft immer häufiger ausbleiben wird, möglicherweise scheitert schon die Frage der Fremdfinanzierung am Nichterreichen zukünftiger Standards. In einer Befragung des Immobilienberatungsunternehmens JLL unter Finanzierungsexperten gaben 14 % der Teilnehmer an, Nachhaltigkeit nehme schon heute „großen“ Einfluss auf den Marktwert von Immobilien. Rund ein Drittel ging zumindest von einer „mittleren“ Bedeutung aus.
Auch die Höhe der erzielbaren Nettokaltmieten steht in engem Zusammenhang mit der ESG-Qualität einer Immobilie. Wer ein Gebäude energetisch saniert, schafft qualitativ hochwertigen Wohnraum für neue, häufig einkommensstärkere Zielgruppen. Bei Neuvermietungen wird der Eigentümer eine deutlich höhere Kaltmiete erzielen können als vor der Sanierung. Bestandsmieter kann er an der Aufwertung ihrer Wohnung beteiligen, indem er acht Prozent der Sanierungskosten per annum auf die Jahresmiete aufschlägt. Allerdings darf die Miete infolge von Umbauten innerhalb von sechs Jahren nur um drei Euro je Quadratmeter und Monat erhöht werden. Mieter und deren Interessenverbände reagieren häufig sehr sensibel, wenn vor allem große Wohnungsunternehmen energetische Sanierungsmaßnahmen durchführen und einen Teil der Kosten im gesetzlichen Rahmen auf die Mieten umlegen. Das zeigt, in welch vielschichtigem Spannungsfeld sich die Immobilienwirtschaft bewegt: Auf der einen Seite muss der umfangreiche klimaschonende Umbau finanziert werden, andererseits ist bezahlbares Wohnen ein hohes soziales Gut.
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat in einem Forschungsprojekt festgestellt, dass Wohnungsunternehmen Bestandsmietern nach Sanierungen eine niedrigere Kaltmiete berechnen als Neumietern – eine Folge der gesetzlichen Deckelung. Vollständig wird das Bild für alle Beteiligten jedoch erst, wenn auch die Betriebskosten in die Betrachtung miteinbezogen werden. Denn für die Mieter ist letztlich entscheidend, wie hoch die mit der Wohnung verbundene Gesamtbelastung ist, also wie viel Warmmiete sie zu zahlen haben. Die energetische Sanierung, und hier insbesondere die Nutzung erneuerbarer Energien, reduziert die Betriebskosten. Diese Ersparnis ist jedoch meist nicht so hoch, dass sie die zeitgleich erfolgte Erhöhung der Kaltmiete ausgleicht. Warmmietenneutralität, so stellt das BBSR in seiner Untersuchung fest, lasse sich nur in Ausnahmefällen erreichen.
Kapitalsammelstellen müssen den Nachweis erbringen, dass sich ESG-konforme Investitionen in Immobilien rechnen. Aus ihrer Sicht ist der mögliche Aufschlag bei der Kaltmiete zunächst möglicherweise nicht hoch genug, um eine energetische Sanierung zu rechtfertigen. So kommt eine Studie der Technischen Universität Darmstadt zu dem Ergebnis: „Investitionen in energetische Gebäudesanierung bringen für Vermieter unterdurchschnittliche Renditen.“ Andere Untersuchungen, etwa von der Deutschen Energie-Agentur (dena), lassen die Frage der Wirtschaftlichkeit bewusst offen, da die Beantwortung nach ihrer Ansicht häufig von regional unterschiedlichen Faktoren abhängig ist.
Allerdings gilt es auch, den Zeitfaktor zu berücksichtigen. Auf längere Sicht werden aus Investorenperspektive die Erträge die Kosten deutlich übersteigen. Denn ausbleibende energetische Sanierungen machen einen Wertverlust der Immobilie wahrscheinlich und haben schlimmstenfalls Leerstand zur Folge.
Ist die Transformation zu einer nachhaltigkeitsorientierten Ausrichtung nun eher Fluch oder Segen für die Immobilienwirtschaft? In dieser Form stellt sich die Frage gar nicht. Die ESG-Bewertung ist längst in der institutionellen Investmentszene angekommen und gilt als globaler Megatrend. Sie stellt branchenübergreifend neue Spielregeln auf. Ohne Nachweis der ESG-Tauglichkeit gehen Investoren Risiken ein, die sich langfristig negativ auswirken werden. Deshalb ist es für Immobilienunternehmen alternativlos, Nachhaltigkeitsgesichtspunkte in ihr Geschäftsmodell aufzunehmen. Dies nicht zuletzt, weil die Finanzierung für „grüne Unternehmen“ vergleichsweise günstiger und einfacher werden wird.
Kurzum: Die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien ergänzt die finanzielle Performance und wird zu einem marktprägenden Wettbewerbsfaktor. Allerdings – und hier hat die Branche Nachholbedarf – gilt es, verbindliche Standards insbesondere zu den Themen Soziales und Governance zu bestimmen, nur diese schaffen Transparenz und ermöglichen Vergleichbarkeit.
Angesichts der Größenordnung des Energieverbrauchs im Bereich von Gewerbe, aber auch Wohnimmobilien wird klar, dass die aus Klimaschutzgründen gewünschte CO2-Neutralität nur erreicht werden kann, wenn die Immobilienwirtschaft einen massiven Beitrag dazu leistet.
Aufgrund der Vielzahl von Bestandsimmobilien ist abzusehen, dass der Gesetzgeber nicht umhinkommen wird, über Vorschriften hinsichtlich des Neubaus von Gebäuden hinaus auch verpflichtend dahin zu wirken, Bestandsimmobilien energetisch zu sanieren. Die bisherige Taktik, Eigentümer über Fördermaßnahmen zur freiwilligen Sanierung zu bewegen, ist zwar vielfach erfolgreich, aber wie etwa das bereits erwähnte Einbauverbot für Ölheizungen ab 2026 zeigt, will der Gesetzgeber die Modernisierung von Altgebäuden noch stärker vorantreiben. Denn zwei Drittel der 19 Millionen Wohngebäude wurden vor 1979 errichtet, also bevor die erste Wärmeschutzverordnung in Kraft trat. Davon sind nach einer Untersuchung des Instituts für Wohnen und Umwelt bislang erst 25 bis 30 % modernisiert. Dies ist nicht ausreichend und es ist zu erwarten, dass der regulatorische Druck zur Immobiliensanierung deshalb anwachsen wird.
Bei allen (künftigen) gesetzlichen Verpflichtungen sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass deren Umsetzung für die Verpflichteten überhaupt umsetzbar ist. Neben dem Umstand, dass viele Privatpersonen ihre Altersvorsorge durch Immobilienerwerb gesichert haben und die energetische Sanierung eine erhebliche finanzielle Belastung darstellt, gibt es auch praktische Probleme. Abgesehen von der Entwicklung der Baupreise in den letzten Jahren stellt sich auch verschärft die Frage der reinen Verfügbarkeit von Baustoffen und Bauunternehmen. Schon jetzt herrscht Knappheit an beidem; es ist daher die Frage zu stellen, wie in Deutschland, aber auch in den anderen europäischen Staaten die gewünschten Maßnahmen überhaupt faktisch umgesetzt werden können.