Wenn kein Weg an der Trennung vorbeiführt

12. Juni 2024 Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Wenn Unternehmen Stellen abbauen müssen, ist es wichtig, dies sozialverträglich und rechtssicher zu tun. Joachim Zobel von Schultze & Braun erläutert im Interview, worauf Arbeitgeber dabei und bei einer Transfergesellschaft achten sollten.

 

Herr Zobel, wieso spielt ein sozialverträglicher und rechtssicherer Abbau von Stellen für Arbeitgeber eine große Rolle?

Zobel: Die Autozulieferer Bosch, Continental und ZF, aber auch Unternehmen aus anderen Branchen wie Miele, SAP, Bayer, Tesla oder VW werfen mit ihren angekündigten und zum Teil bereits umgesetzten Maßnahmen derzeit ein starkes Schlaglicht auf das Thema Personalabbau. So hart es für Arbeitnehmer und Unternehmen ist: Es gibt Situationen, in denen die Wettbewerbsfähigkeit nur durch einen Stellenabbau erhalten oder neu geschaffen werden kann. Es ist aber für Unternehmen wichtig, dass sie bei einem notwendigen Stellenabbau zwei Ziele im Fokus haben?

 

Welche sind das?

Zobel: Der Stellenabbau sollte zum einen sozialverträglich, rechtssicher und wertschätzend erfolgen, um die negativen Auswirkungen für die Arbeitnehmer so klein wie möglich zu halten. Zum anderen sollten der Stellenabbau alle rechtlichen Vorgaben einhalten, um langwierige und kostspielige Verfahren vor den Arbeitsgerichten zu vermeiden und um Ruhe durch Rechtsklarheit und Neuorientierung zu schaffen.

 

Wie lassen sich diese Ziele erreichen?

Zobel: Das gelingt in der Regel mit einer Transfergesellschaft und einer Transferagentur. Eine Transfergesellschaft hat sowohl für die Arbeitgeber als auch für die betroffenen Arbeitnehmer erhebliche Vorteile. Der Arbeitgeber minimiert mit einer Transfergesellschaft das Prozessrisiko, da durch den Wechsel der Arbeitnehmenden in die Transfergesellschaft Rechtssicherheit geschaffen wird und keine Risiken durch Kündigungsschutzklagen drohen. Die Arbeitnehmer wiederum können sich durch den Übertritt in die Transfergesellschaft aus einem bestehenden sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis heraus bewerben und erhalten durch gezielte Beratung, Bewerbungsunterstützung, berufliches Coaching, Qualifizierung und aktive Stellenvermittlung professionelle Unterstützung.“

 

Worauf sollten Arbeitgeber bei einer Transfergesellschaft achten?

Zobel: Arbeitgeber sollten die Transfergesellschaft am besten in drei Schritten einrichten. Zuerst ist eine Planung und Konzeption für den Stellenabbau auf Grundlage der Unternehmensanalyse und Neukonzeption zu erarbeiten, um die Basis der Ermittlung der Betroffenen zu schaffen. Sodann muss die Frage geklärt werden, ob die Personalmaßnahme nicht durch andere Instrumente, wie konjunkturelle Kurzarbeit, Arbeitszeitflexibilisierung oder -variabilisierung oder Freiwilligenprogramme vermieden werden kann. Diese gesamten Überlegungen müssen mit der Agentur für Arbeit im Vorfeld beraten und ggf. mit dem Betriebsrat verhandelt werden. Die rechtliche Grundlage dafür stellt Paragraph 111 des Betriebsverfassungsgesetzes dar.

 

Welches ist der zweite Schritt bei der Einrichtung einer Transfergesellschaft?

Zobel: Als Zweites ist vor dem Wechsel in eine Transfergesellschaft die Entscheidung über die konkreten Transfermaßnahmen für die betroffenen Arbeitnehmer zu treffen. Rechtlich sind diese im Paragraphen 110 des Sozialgesetzbuchs III geregelt. Die Agentur für Arbeit unterstützt die Transfermaßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen finanziell mit bis zu 2.500 Euro.

 

Was ist unter Transfermaßnahmen zu verstehen?

Zobel: Transfermaßnahmen sind unter anderem eine Outplacement-Beratung, Bewerbungsmaßnahmen, Job-Börsen oder ein Coaching für die betroffenen Arbeitnehmer. Beim Stellenabbau über eine Transfergesellschaft sind solche Transfermaßnahmen für den Arbeitgeber zum Teil freiwillig und zum Teil verpflichtend.

 

Welches ist der abschließende dritte Schritt bei der Einrichtung einer Transfergesellschaft?

Zobel: Das ist die Einrichtung der Transfergesellschaft. Sie nimmt die Arbeitnehmer, die vom Stellenabbau betroffen sind, für eine bestimmte Zeit auf. Die Laufzeit des befristeten Arbeitsvertrages mit den Arbeitnehmern und der Transfergesellschaft beträgt in der Regel zwischen sechs und zwölf Monaten. Die Voraussetzungen für den Vertrag sind in Paragraph 111 des Sozialgesetzbuchs III geregelt. Der Arbeitgeber muss die notwendigen Mittel für die Transfergesellschaft zu Beginn der Maßnahme bereitstellen.

 

Wie sollte ein Unternehmen bei der Information der betroffenen Arbeitnehmer über eine Transfergesellschaft vorgehen?

Zobel: Das Ziel einer Transfergesellschaft ist es, Entlassungen und Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Um eine möglichst große Akzeptanz für eine Transfergesellschaft zu schaffen, sollten Arbeitgeber betroffenen Arbeitnehmer unbedingt über die Vorteile, aber auch die rechtlichen Folgen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses und den Wechsel in die Transfergesellschaft informieren. Der Schlüssel zur Akzeptanz einer sozialverträglichen Restrukturierung ist die Kommunikation. Ein wichtiges Argument ist insbesondere die höhere Vergütungszahlung in einer Transfergesellschaft gegenüber einer Kündigung. Die Arbeitnehmer erhalten in einer Transfergesellschaft neben dem Transferkurzarbeitergeld, das in etwa der Höhe des Arbeitslosengeldes entspricht, üblicherweise eine Aufstockung auf rund 80 Prozent des letzten Nettoentgelts.

 

Welche weiteren Vorteile hat eine Transfergesellschaft?

Zobel: Bei einer Transfergesellschaft wird das Transferkurzarbeitergeld nicht auf die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes angerechnet. Im Normalfall – also nach dem Ende der Transfergesellschaft – haben die Arbeitnehmer also ungekürzten Anspruch auf Arbeitslosengeld und verbrauchen während dieser Zeit in der Transfergesellschaft ihren Arbeitslosengeldanspruch nicht.

 

Kurz zusammengefasst: Was raten Sie Unternehmen im Zusammenhang mit einem notwendigen Personalabbau und einer Transfergesellschaft?

Zobel: Essenzielle Erfolgsfaktoren sind eine professionelle Unterstützung durch erfahrene Partner, größtmögliche Transparenz gegenüber allen Beteiligten und eine zielgruppenorientierte Kommunikation und Information, die mit den beteiligten Gruppen vorab aufgesetzt wird. Nur wer dies beherzigt und von krisenerfahrenen Partnern gestalten lässt, wird sich schnell wieder dem eigentlichen Geschäftsumfeld widmen können und die Krise hinter sich lassen.

Joachim Zobel

ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und leitet die Abteilung Arbeitsrecht bei der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun. Zu seinen Fachgebieten gehören der sozialverträgliche Personalabbau, die Unternehmensreorganisation im personellen Bereich, Transfergesellschaften und Outplacement.