Italien: Ausführungsbestimmungen zum besitzlosen Pfandrecht ergangen

24. August 2021 Blog International Restrukturierung und Sanierung

Im Jahre 2016 hat der italienische Gesetzgeber mit dem besitzlosen Pfandrecht („pegno non possessorio“) eine neue Form der Kreditsicherung in das italienische Recht eingeführt. Bis zum heutigen Tage kommt dieser allerdings keinerlei Bedeutung zu, weil die Regelungen zu dem sog. Pfandrechtsregister fehlen, das die Publizität des Sicherungsrechts gewährleistet. Diese Lücke ist nun gefüllt worden: Mit Wirkung zum 25.8.2021 treten die ministerialen Ausführungsbestimmungen betreffend die Einrichtung des digitalen Pfandrechtsregisters in Kraft.

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Alessandro Honert

Avvocato (Rechtsanwalt, zugelassen in Italien)

Rechtsanwalt

Ausgangspunkt der Reform im Jahre 2016

Art. 2784 ff. des italienischen Gesetzbuches regeln, dass für die Zwecke der Begründung eines Pfandrechts der Gläubiger den (grundsätzlich unmittelbaren) Besitz an der mit dem Pfandrecht belasteten Sache erlangen muss.

Folge ist, dass der Schuldner die mit dem Pfandrecht belastete Sache nicht länger für seine (unternehmerischen) Zwecke nutzen kann; dies wiederum führt dazu, dass das Pfandrecht als Kreditsicherung von Forderungen gegen Unternehmer in aller Regel ungeeignet ist.

Die Reform aus dem Jahre 2016

An dieser Stelle hat der Gesetzgeber angesetzt und mit Gesetzesdekret 59/2016 vom 3.5.2016 die Begründung besitzloser Pfandrechte vorgesehen. Bei diesem Pfandrecht handelt sich um eine sog. “self-executing” Kreditsicherung, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Kreditgewährung zugunsten von Unternehmen erleichtern und damit den Banken neue Geschäftsbeziehungen erschließen soll.

Für die Zwecke der Begründung des besitzlosen Pfandrechts müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

  1. subjektive Voraussetzung: der Schuldner, dessen Verbindlichkeit durch das Pfandrecht gesichert wird, muss ein im Firmenregister eingetragener Unternehmer sein; entsprechendes gilt für den Sicherungsgeber, wenn dieser mit dem Schuldner nicht identisch ist;
  2. objektive Voraussetzung: der mit dem Pfandrecht belastete Gegenstand muss unternehmerischen Zwecken zu dienen bestimmt sein;
  3. funktionale Voraussetzung: die gesicherte (gegenwärtige oder zukünftige, bestimmte oder bestimmbare) Forderung muss sich auf das Unternehmen des Schuldners beziehen;
  4. formelle Voraussetzung: der Vertrag, mit dem das Pfandrecht begründet wird, bedarf zu seiner Wirksamkeit der Schriftform. In diesem sind anzugeben: der Gläubiger, der Schuldner, der ggf. nicht mit dem Schuldner identische Sicherungsgeber, der mit dem Pfandrecht belastete (bestimmte oder bestimmbare) Gegenstand und zuletzt die gesicherte Forderung unter Angabe des gesicherten Höchstbetrags;
  5. Publizität: das Pfandrecht kann Dritten (erst) entgegen gehalten werden, sobald dieses in ein spezielles digitales Pfandrechtsregister eingetragen worden ist, das vom Finanzamt geführt wird (das sog. “registro dei pegni non possessori”).

Ministerialdekret Nr. 114/2021 vom 25.5.2021

Leider hat sich der italienische Gesetzgeber bei dem Erlass der Ausführungsbestimmungen betreffend die Einrichtung des der Publizität dienenden digitalen Pfandrechtsregisters Zeit gelassen:

Erst fünf Jahre nach der Einführung des besitzlosen Pfandrechts wurde die Einrichtung des öffentlichen Registers über besitzlose Pfandrechte („registro dei pegni non possessori”) beim Finanzamt („Agenzia delle entrate“) normiert.

Die Details regelt das Ministerialdekret Nr. 114/2021 vom 25.5.2021, das am 25.8.2021 in Kraft treten wird.

Art. 3 des Ministerialdekrets regelt die Formalitäten der Eintragung. Die Eintragung des besitzlosen Pfandrechts in das Register erfolgt elektronisch. Anzugeben sind (unter anderem):

  • die (persönlichen) Daten des Gläubigers, des Schuldners und (falls nicht mit dem Schuldner identisch) des Sicherungsgebers;
  • der Zeitpunkt der Begründung des Pfandrechts;
  • die Art und die Höhe gesicherten Forderung;
  • die Art, der Wert und die wirtschaftliche Bestimmung der gepfändeten Gegenstände;
  • der Inhalt der Sicherungsabrede (die Bedingungen für die Verwertung).

Wichtig ist der Hinweis, dass das besitzlose Pfandrecht zwar privatschriftlich wirksam begründet werden kann, der Registereintrag aber einer weitergehenden Form bedarf. Konkret ist nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 4 des Ministerialdekrets die Eintragung in das Register nur auf Grundlage (i) öffentlicher Urkunden, (ii) in notariell beglaubigter Form unterschriebener oder gerichtlich festgestellter Urkunden oder zuletzt (iii) mit digitaler Signatur versehener Verträge möglich. Art. 3 Abs. 5 des Ministerialdekrets präzisiert in diesem Zusammenhang, dass die Schaffung der Rechtsgrundlage des besitzlosen Pfandrechts und der Eintragungsantrag zeitgleich in einem einheitlichen, von den Vertragsparteien digital signierten Dokument erfolgen können; dies dürfte in der Praxis die Abläufe vereinfachen.

Nach Prüfung und gegebenenfalls Bestätigung der Angaben gelangt das Pfandrecht zur Eintragung und entfaltet seine Wirkung auch gegenüber Dritten, welche auf den verpfändeten Gegenstand mithin nicht zugreifen können.

Art. 10 des Ministerialdekrets regelt die Modalitäten der Einsichtnahme in das Register. Das Register ist für jedermann öffentlich zugänglich und kann in elektronischer Form abgerufen werden, wobei lediglich Daten betreffend der Person des Schuldners oder des Sicherungsgebers anzugeben sind. Das Register ermöglicht damit nicht nur die Begründung besitzloser Pfandrechte, sondern auch einen Überblick über das (verpfändete) Vermögen und die Kreditwürdigkeit (potentieller) Geschäftspartner.

Das Pfandrechtsregister ist noch nicht aktiv, da insoweit noch die EDV-technischen Voraussetzungen zu schaffen sind; für die Realisierung des dem Register zugrundeliegenden EDV-Systems wird in dem Ministerialdekret ein Zeitraum von acht Monaten angesetzt.

Praktische Auswirkungen

Mit dem besitzlosen Pfandrecht besteht demnächst die Möglichkeit, auf unkompliziertem Wege Sicherungsrechte an beweglichen Gegenständen zu begründen, die in der Praxis ohne großen Aufwand handhabbar und im Falle der Insolvenz des Schuldners (oder der Vollstreckung durch anderweitige Gläubiger in den mit dem Pfandrecht belasteten Gegenstand) Dritten entgegengehalten werden können.

Der Gegenstand des Pfandrechts ist sehr weit, denn dieses kann ausweislich Art. 1 Abs. 2 des Gesetzesdekrets Nr. 59/2016 an allen beweglichen Gegenständen begründet werden, die der unternehmerischen Tätigkeit zu dienen bestimmt sind; hierbei kann es sich auch um zukünftige oder auch nur bestimmbare Gegenstände handeln.

Ausgenommen sind nur in öffentlichen Registern verzeichnete Gegenstände, wobei aber Art. 3 Abs. 2 Buchst. i) Nr. 6 des Ministerialdekrets zu entnehmen ist, dass Aktien und Geschäftsanteile italienischer Gesellschaften mit beschränkter Haftung geeigneter Gegenstand des besitzlosen Pfandrechts sein können.

Im Ergebnis werden durch die vergleichsweise schlanken Voraussetzungen für die Begründung des besitzlosen Pfandrechts einerseits und die Weite der in Betracht kommenden Pfandgegenstände andererseits der Zugang von Unternehmen zu (Waren-)Krediten erweitert und neue Investitionen gefördert.

Rechtsanwalt Alessandro Honert, Avvocato (Rechtsanwalt, zugelassen in Italien)