Frankreich führt übergangsweise ein CoVID-Insolvenzverfahren zur schnellen Entschuldung von Kleinunternehmen ein

02. Juni 2021 Newsletter International Restrukturierung und Sanierung

Am 27. Mai 2021 wurde in Frankreich das Gesetz über die Bewältigung des Ausstiegs aus der CoVID-Krise (loi sur la gestion de sortie de crise sanitaire) verabschiedet. Ziel dieses Gesetzes ist es, die Folgen des Endes des pandemiebedingten, mehrfach verlängerten Ausnahmezustands zum 1. Juni 2021 für eine Übergangszeit zu regeln. Unter anderem wurde die französische Regierung mit diesem Gesetz ermächtigt, zwischen dem 2. Juni 2021 und dem 30. September 2021 unter bestimmten Bedingungen und in bestimmten Bereichen Maßnahmen per Verordnung zu verabschieden. In diesem Zuge wurde außerdem für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren ein neues vereinfachtes Insolvenzverfahren für Unternehmen eingeführt, die weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigen.

 

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Ellen Delzant
Ellen Delzant

Avocate (Rechtsanwältin, zugelassen in Frankreich)

Rechtsanwältin

Vor dem Hintergrund des Auslaufens von verschiedenen pandemiebedingt gewährten staatlichen Unterstützungsmaßnahmen, die bisher in Frankreich eine Welle von Unternehmensinsolvenzen verhindert haben, möchte der französische Gesetzgeber es mit dem neuen vereinfachten Insolvenzverfahren Unternehmen ermöglichen, in einem zügigen Verfahren durch die CoVID-Krise verursachte oder verstärkte Schwierigkeiten im Wege eines Schuldenbereinigungsplans zu überwinden.

Das neue vereinfachte Fortführungsverfahren steht Unternehmen zur Verfügung, die weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigen und deren Verbindlichkeiten sich auf weniger als 3 Millionen Euro belaufen.

Voraussetzung für die Eröffnung ist, dass sich der Schuldner im Zustand der Zahlungsunfähigkeit befindet und in der Lage ist, einen Plan vorzulegen, der den Fortbestand des Unternehmens sichert.

Im Vergleich zum klassischen Insolvenzverfahren in Form des Fortführungsverfahrens (redressement judiciaire) weist das neue vereinfachte Fortführungsverfahren einige Besonderheiten auf, von denen hier nur die wichtigsten genannt werden sollen:

Im Unterschied zum klassischen Fortführungsverfahren muss der Schuldner bereits im Rahmen der Antragstellung darlegen, dass er in der Lage ist, binnen drei Monaten nach Verfahrenseröffnung einen den Fortbestand des Unternehmens sichernden Plan vorzulegen.

Während sich die Dauer der Beobachtungsphase im klassischen Fortführungsverfahren auf sechs Monate (mit zweimaliger Verlängerungsmöglichkeit) beläuft, erstreckt sich die Beobachtungsphase im vereinfachten Verfahren auf nur drei Monate. Wird innerhalb dieser Frist kein Plan verabschiedet, wird das Verfahren entweder in das klassische Fortführungsverfahren oder das Insolvenzverfahren in Form eines Liquidationsverfahrens übergeleitet (liquidation judiciaire).

Der Plan darf in Arbeitnehmerforderungen nicht eingreifen. Auch muss der Schuldner in der Lage sein, sämtliche Forderungen der Arbeitnehmer zu bedienen. Ein Eintritt der AGS (Assurance garantie des salaires, vergleichbar mit der deutschen Bundesagentur für Arbeit) kommt im vereinfachten Fortführungsverfahren nicht in Betracht.

Auch das Verfahren der Forderungsprüfung ist im Verhältnis zum Prozedere im klassischen Fortführungsverfahren wesentlich vereinfacht. So entfällt die Forderungsanmeldung durch die Gläubiger. Nur die sich aus einer vom Schuldner zu fertigende Liste ergebenden Gläubigerforderungen können Gegenstand einer Planregelung werden. Der im Verfahren bestellte Verwalter übermittelt jedem in der Liste erfassten Gläubiger einen entsprechenden Auszug. Der Gläubiger ist innerhalb von noch in einem Anwendungserlass festzulegenden Fristen berechtigt, Einwendungen oder Änderungswünsche geltend zu machen, über deren Berechtigung ggf. der kommissarische Richter entscheidet. Die Modalitäten eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung des kommissarischen Richters bedürfen ebenfalls noch der Regelung in einem Anwendungserlass.

Der vom Schuldner ggf. mit Hilfe des gerichtlich bestellten Verwalters erstellte Schuldenbereinigungsplan wird gemäß den Regeln verabschiedet, die auch im klassischen Fortführungsverfahren gelten. Der Plan kann mit Einverständnis der betroffenen Gläubiger Forderungsverzichte vorsehen oder ihnen ohne ihre Zustimmung Ratenzahlungen über eine Dauer von maximal zehn Jahren auferlegen. Allerdings muss er ab dem dritten Jahr jährliche Ratenzahlungen in Höhe von mindestens 8% der in der Liste aufgeführten Forderungen ausweisen, während der Mindestsatz im Rahmen eines klassischen Fortführungsverfahrens 5% beträgt.

Im Gegensatz zum klassischen Fortführungsverfahren kann das Verfahren nur zu einer Schuldenbereinigung führen. Eine übertragende Sanierung und somit der Verlust des Unternehmens für den Inhaber ist ausgeschlossen. Dies soll es der Geschäftsleitung von zahlungsunfähigen Unternehmen erleichtern, den Gang zum Gericht frühzeitig zu wagen und Antrag auf Eröffnung eines vereinfachten Fortführungsverfahrens zu stellen.

Der französische Gesetzgeber stellt also damit zahlungsunfähigen Klein- und Kleinstunternehmen für eine begrenzte Zeit ein zügiges Entschuldungsverfahren zur Verfügung. Fraglich ist allerdings, ob dieses Entschuldungsverfahren in der Praxis die erhofften Wirkungen zeigt. Zum einen sind arbeitsrechtliche Maßnahmen ausgeschlossen, zum anderen verlangt das Verfahren eine ordnungsgemäße Buchhaltung, die bei Kleinstunternehmen nicht immer vorgefunden werden kann.

Dieses neue vereinfachte Verfahren gilt jedoch nur für eine Übergangszeit von zwei Jahren ab Veröffentlichung des Gesetzes im französischen Amtsblatt, die am 1. Juni 2021 erfolgt ist. Ferner bedarf es der Veröffentlichung des entsprechenden Anwendungserlasses, bevor das Verfahren in der Praxis umgesetzt werden kann. Ob damit noch vor der Sommerpause zu rechnen ist, muss abgewartet werden.

Ein weiterer Punkt auf der To-Do-Liste des französischen Gesetzgebers in den nächsten Monaten ist die Umsetzung der Richtlinie 2019/1023 zu vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren ins französische Recht.

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Rechtsanwältin Ellen Delzant, Avocate