Finanzielle Verluste vermeiden: Gutscheine, Anzahlungen und Vorkasse im Insolvenzfall

27. November 2024 Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Bei Gutscheinen drohen finanzielle Risiken, wenn der Herausgeber einen Insolvenzantrag stellen muss. Gleiches gilt bei Anzahlungen oder Vorkasse. Warum das so ist, und welche Besonderheiten, aber auch Lösungen es gibt, erläutert Dr. Elske Fehl-Weileder von Schultze & Braun.

Gutscheine zählen zusammen mit Bargeld zu den beliebtesten Geschenken in Deutschland – nicht nur, aber eben gerade auch zu Weihnachten. Denn egal, ob der Gutschein vom Italiener um die Ecke, dem Kaufhaus am Platz mit seinem breiten Warenangebot oder dem Onlinehändler mit den ausgefallenen Produkten stammt – mit einem Gutschein kann man doch eigentlich nichts falsch machen! Oder etwa doch?!

Gutscheine können „schlecht werden“

Wenn der Aussteller eines Gutscheins einen Insolvenzantrag stellen muss, bevor dieser eingelöst worden ist, droht der Gutschein allerdings „schlecht zu werden“ – und das sogar dann, wenn das Kaufhaus weiterhin geöffnet hat, der Online-Händler weiter liefert oder der Italiener um die Ecke weiter Pizza bäckt. Wie kann das sein?

Die Zahlungen, die der Schenkende für die Gutscheine mit deren Kauf geleistet hat, werden im Insolvenzfall entweder schon vom Aussteller verbraucht worden sein oder Teil der sogenannten Insolvenzmasse. Und die – das ist seine gerichtliche Aufgabe – darf ein Insolvenzverwalter nicht reduzieren – etwa, indem er das Einlösen von Gutscheinen genehmigt. Das bedeutet: Den Gutscheinbetrag kann der Inhaber des Gutscheins zwar zur sogenannten Insolvenztabelle anmelden und bekommt am Ende des Verfahrens abhängig von der Insolvenzmasse einen Teil davon ausgezahlt. Das ist letztlich aber ein schwacher Trost, denn die hier zu erwartenden sogenannten Quotenzahlungen sind im Regelfall eher gering.

Individuelle Lösungen

Jedoch ist niemandem daran gelegen, eine große Anzahl von Kunden zu verprellen, die einen Gutschein bezahlt haben und diesen dann nicht einlösen können – schon gar nicht einem Gastronomen oder Händler, der um sein wirtschaftliches Überleben bemüht ist. Daher versuchen Insolvenzverwalter in der Regel, eine individuelle Lösung zu finden, mit der die Gutscheine doch noch verwendet werden können – sei es etwa, dass der Gutscheinbetrag zumindest zu einem bestimmten Teil eingelöst werden kann, wenn der restliche Betrag zusätzlich gezahlt wird. Beispiel: Ein Produkt kostet 100 Euro, und 50 Euro dafür werden aus dem Gutschein angerechnet, die anderen 50 Euro muss der Kunde bezahlen. Es kann aber auch sein, dass ein Insolvenzverwalter die Gläubiger des Ausstellers überzeugt, dass es für die Fortführung des Unternehmens die beste Option ist, die Gutscheine eins zu eins einzulösen, wenn unter dem Strich durch die Weiterführung des Geschäftsbetriebs die finanziellen Verluste aus den Gutscheinen ausgeglichen werden. 

Gutscheine möglichst schnell einlösen

Unabhängig davon, wie im Einzelfall eine mögliche Lösung für das Gutschein-Thema aussehen kann, benötigt ein Insolvenzverwalter für die Klärung zunächst etwas Zeit. Gutscheininhaber müssen sich daher im Falle einer Insolvenz zunächst in Geduld üben. Grundsätzlich gilt: Je schneller ein Gutschein eingelöst wird, desto geringer ist das Risiko, dass er finanziell gesehen schlecht wird, weil das ausstellende Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät.

So, wie es etwa im Sommer 2024 beim Reisekonzern FTI der Fall war – auch wenn Gutscheine in diesem Fall eine eher untergeordnete Rolle spielen, sondern Anzahlungen und Vorkasse im Fokus stehen. Damals haben sich sicherlich viele Deutsche, die ihre Reise bei FTI gebucht und bereits zum Teil bezahlt hatten, gedacht, dass Urlaub und Erholung ganz anders aussehen. Knapp 60.000 FTI-Urlauber erreichte die Insolvenz-Meldung am Urlaubsort. Rund 215.000 gebuchte Reisen konnten gar nicht mehr stattfinden. Die Anzahlungen der Kunden: Erst einmal weg wie auch die Urlaubserholung. 

Pauschalurlaube als Sonderfall

Erholung lässt sich nur schwer zurückholen, besser sieht es zumindest bei den Anzahlungen für Urlaubsreisen aus – von FTI, aber auch von anderen Anbietern im Falle einer Insolvenz. Denn Pauschalreisen sind abgesichert, die Betroffenen bekommen also ihr angezahltes Geld zurück – auch wenn der Prozess Zeit in Anspruch nimmt und sicherlich nicht vergnügungssteuerpflichtig ist. 

Am Beispiel FTI-Insolvenz zeigt sich aber auch das finanzielle Risiko von Anzahlungen oder Vorkasse. Denn während Zahlungen für Pauschalurlaube seit 2021 über den Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF) – eine Besonderheit der Reisebranche – abgesichert sind, müssen Kunden, die nur einzelne Reisebausteine – etwa Hotel, Mietwagen oder den Ausflug am Urlaubsort – gebucht haben, um ihr Geld bangen. 

Denn Zahlungen für solche Einzel-Buchungen fallen nicht unter die finanzielle Absicherung des DRSF. Das bedeutet: Ansprüche werden hier ausschließlich anteilig über die Insolvenzmasse abgegolten. Und das wird bei Reiseanbietern – da es dabei in der Regel sehr viele Gläubiger gibt und es um hohe Beträge geht – sicherlich eine ganze Zeit dauern und bei Quoten von durchschnittlich zwei bis vier Prozent in Insolvenzverfahren wahrscheinlich auch nicht sehr lohnend sein. Bei FTI geht es Stand Ende November 2024 um Forderungen von mindestens 840 Millionen Euro von bislang rund 70.000 Gläubigern

Ausführlich über die Bonität des Verkäufers oder Anbieters informieren

Fakt ist: Anzahlungen und Vorkasse sind in vielen Branchen üblich. Wenn der Anbieter jedoch einen Insolvenzantrag stellen muss, und das bezahlte Produkt nicht geliefert oder die Dienstleistung nicht erbracht werden kann, steht das Geld der Kunden regelmäßig im Feuer. Denn die Insolvenzordnung verbietet dem Verwalter, solche Zahlungen zurückzugeben – auch wenn das bei den finanziell Betroffenen nachvollziehbarerweise auf wenig Gegenliebe stößt. Allerdings müssen und sollen alle Gläubiger gleich behandelt werden. 

Erholsamer – um wieder zum Thema Urlaub zurückzukommen – ist es also für Kunden, falls möglich, auf Anzahlungen und Vorkasse zu verzichten. Oder sie sollten sich zumindest ausführlich über die Bonität des Verkäufers oder Anbieters informieren. Wichtig ist aber auch: Verkäufer und Anbieter, die Anzahlungen oder Vorkasse verlangen, haben per se das gleiche Interesse an einer ordnungsgemäßen und reibungslosen Abwicklung des vereinbarten Geschäfts wie diejenigen, die darauf verzichten.

Die Autorin

Dr. Elske Fehl-Weileder ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun. Zu Ihren Spezialgebieten gehören die Insolvenzverwaltung, die Begleitung von Eigenverwaltungen und Schutzschirmverfahren sowie die Erstellung und Umsetzung von Insolvenz- und Restrukturierungsplänen.