Ein Insolvenzplan ist geeignet, insolvente Freiberufler vor dem Entzug der Zulassung zu schützen

11. Juli 2022 Blog Insolvenzrecht

Mit einem aktuellen Beschluss knüpft der BGH die Feststellung des Vermögensverfalls wegen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens an den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens. Bis dahin hat der Betroffene somit Zeit, seine Vermögensverhältnisse mittels eines Insolvenzplans neu zu ordnen und einen Zulassungswiderruf zu verhindern.

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BGH (Senat für Anwaltssachen): Widerruf der Zulassung wegen Vermögensverfalls

BGH, Beschluss vom 19. April 2022 – AnwZ (Brfg) 39/21 (AGH Celle)

I. Leitsatz des Verfassers
Dem Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts kommt im Verfahren wegen des Widerrufs der Zulassung die gleiche Tatbestandswirkung zu wie Schuldtiteln und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Es erfolgt keine Überprüfung der Rechtmäßigkeit im Verfahren über den Widerruf der Zulassung.

II. Sachverhalt
Über das Vermögen des im Jahr 1950 geborenen Klägers, der seit 1981 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und als Einzelanwalt in S. tätig war, wurde mit Beschluss des Amtsgerichts (Insolvenzgerichts) vom 1.12.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Bescheid vom 22.4.2016 widerrief die zuständige Rechtsanwaltskammer, die hiesige Beklagte, seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die dagegen erhobene Klage des Klägers abgewiesen. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs. Außerdem hat er im Laufe des Zulassungsverfahrens einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt.

III. Rechtliche Wertung
Die Rechtswidrigkeit der Insolvenzeröffnung kann nicht im Widerrufsverfahren, sondern nur im Wege der sofortigen Beschwerde geltend gemacht werden.

Der Senat für Anwaltssachen am Bundesgerichtshof hat sich der Vorinstanz angeschlossen und bestätigt, dass der Kläger die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vermutung seines Vermögensverfalls nicht widerlegt habe.

Im Falle eines Insolvenzverfahrens sei die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nach ständiger Senatsrechtsprechung erst dann widerlegt, wenn ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan oder angenommener Schuldenbereinigungsplan vorliege, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit würde. Dabei sei allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen. Die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen sei einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten. Vorliegend habe der Kläger diese Voraussetzungen aber bis zum Erlass des Beschlusses dieser Entscheidung nicht erfüllt, so dass eine Beurteilung obsolet gewesen sei. Darüber hinaus sei es unerheblich, dass der Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts im Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs noch nicht rechtskräftig gewesen sei. § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO setze bereits nach seinem Wortlaut keine Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses voraus. Dem Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts komme ebenso wie Schuldtiteln und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Vollstreckungsorganen im Widerrufsverfahren eine Tatbestandswirkung zu. Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung werde im Widerrufsverfahren nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO nicht überprüft; etwaige Fehler seien nicht im Widerrufsverfahren, sondern in dem dafür vorgesehenen Verfahren, d.h. hier im Wege der vom Kläger gegen den Beschluss erhobenen sofortigen Beschwerde, geltend zu machen.

Auch dass der Insolvenzverwalter die selbständige Erwerbstätigkeit des Klägers sowie dessen Wohnung unmittelbar nach der Verfahrenseröffnung aus der Insolvenzmasse freigegeben habe, führe nicht zu einer Heilung des Vermögensverfalls. Die Freigaben hätten nichts an der Schuldenlage des Klägers geändert und überdies dazu geführt, dass seine Gläubiger wieder Zugriff auf diesen Teil seines Vermögens nehmen konnten.

Zudem liege eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden vor. Nach der gesetzlichen Wertung sei mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Ausnahmsweise sei dies nicht der Fall, wenn der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübe und rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet seien, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhinderten. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts seien dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen.

IV. Praxishinweis
Zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie des Widerrufs der Zulassung wegen Vermögensverfalls lagen hier über vier Monate. In der Zwischenzeit wäre es unproblematisch gewesen, eine Einigung mit den Gläubigern im Wege eines Insolvenzplans zu treffen. Ansonsten können die Vermögensverhältnisse des Schuldners nach herrschender Meinung erst dann wieder als geordnet angesehen werden, wenn der Schuldner mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und der Anordnung der Restschuldbefreiung das Recht zurückerhält, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen (§ 259 Abs. 1 S. 2 InsO) oder ein vom Insolvenzgericht angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt. Ein schnell erstellter und vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan kann den Widerruf der Zulassung trotz der Wirkung des Insolvenzverfahrens verhindern, eine ununterbrochene Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit ermöglichen und dadurch zu einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung beitragen. Eine Schädigung der Reputation des Betroffenen kann damit minimiert werden.

Rechtsanwalt Dr. Michael Lojowsky, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht