Doppelseitige Treuhand: Auf Nummer Sicher gehen

15. September 2021 Blog Restrukturierung und Sanierung

Eine doppelseitige Treuhand kann das Instrument der ersten Wahl sein, wenn ein Unternehmen frisches Kapital benötigt. Dr. Andreas Beck erläutert im Interview, wie Berater von einer doppelseitigen Treuhand profitieren und warum sie gut vorbereitet und professionell gesteuert werden muss.

Auch wenn Geldgeber und Unternehmer seit Jahren erfolgreich zusammenarbeiten, kommen sie mitunter an einen Punkt, an dem der Beziehungsstatus zu „Es ist kompliziert“ wechselt. Berater stehen in einem solchen Fall bei der Beschaffung von neuen Geldmitteln, einer M&A-Transaktion oder gar einer notwendigen Restrukturierung vor der Herausforderung, das Vertrauen zwischen Geldgeber und Unternehmer auf eine neue Basis stellen zu müssen.

 

Herr Beck, in welchen Fällen bringt eine doppelseitige Treuhand Vorteile?

Beck: Eine Treuhand ist immer dann sinnvoll, wenn sichergestellt werden soll, dass die Interessen, aber auch die Risiken zwischen den Finanzierern und dem Unternehmen, beziehungsweise den Gesellschaftern des Unternehmens, ausbalanciert sind. Als Treuhänder verwalten wir als neutrale Stelle etwa Gesellschaftsanteile des Unternehmens, die für eine Finanzierung als Sicherheit dienen. Und Sicherheit ist auch der maßgebliche Punkt. Der Finanzierer ist sicher, dass er einen Gegenwert für sein eingesetztes Kapital erhält. Der Unternehmer hat die Sicherheit, dass er seine Gesellschaftsanteile zurückerhält, wenn alles so wie geplant läuft.

Man kann also sagen, dass die Treuhand einen Interessensausgleich zwischen den Beteiligten schafft.

Beck: Ja, indem ein Treuhänder als neutrale Partei eingesetzt wird, wird die Situation versachlicht – also weg von zu viel Emotionen und mitunter Schuldzuweisungen hin zu mehr Rationalität und einer gemeinsamen Vertrauensbasis. Das ist gerade für die Berater eines Unternehmens in „verfahrenen“ Situationen eine gute Option, Finanzierer und Unternehmer wieder auf Kurs zu bringen. Die Einsatzmöglichkeiten einer Treuhand sind dabei vielfältig: Ein Unternehmen gerät in eine Produkt- oder Absatzkrise, und die Banken zögern bei neuen Krediten. Oder es gibt einen Streit zwischen den Gesellschaftern über die künftige Ausrichtung des Geschäfts, der das Unternehmen lähmt, und dazu führt, dass die Liquidität knapp wird. Eine Treuhand kann in beiden Beispielen aber auch in vielen weiteren Situationen das Instrument sein, um einen Überbrückungskredit für das Unternehmen zu bekommen.

Wer kommt in einem solchen Fall klassischerweise auf Sie zu?

Beck: In aller Regel sind es die Banken, die sich wünschen, dass wir als Treuhänder tätig werden. Doch auch immer mehr Berater erkennen die Vorteile einer Treuhand und kommen auf uns zu. Mit unserer Erfahrung erkennen wir schnell, wenn die Fronten zwischen den Parteien so verhärtet sind, dass einem eigentlich restrukturierungsfähigen Unternehmen sogar die Insolvenz droht. Eine doppelseitige Treuhand kann der Schlüssel für einen erfolgreichen Turnaround darstellt.

Welche Vorteile bietet die doppelseitige Treuhand sowohl den Sanierern und Banken als auch den Unternehmen und Gesellschaftern?

Beck: Da die doppelseitige Treuhand Gesellschaftsanteile des Unternehmens als Treugut sowohl zugunsten der Banken als auch des Gesellschafters hält, wird den Banken ein Anspruch auf vorrangige Befriedigung aus dem Verwertungserlös eingeräumt. Mit der Treuhand können die Banken also auf Nummer Sicher gehen und müssen dabei nicht selbst Gesellschafter des Unternehmens werden. Das ist vielen Banken durch ihre Statuten untersagt. Vertrauensfördernd ist zudem, dass sich die Banken den Treuhänder selbst aussuchen können. Beide Punkte hat der Bundesgerichtshof vor Kurzem noch einmal bestätigt und damit für enorme Rechtssicherheit gesorgt. Aber auch für die Gesellschafter hat die Treuhand Vorteile: Banken sind mit diesem Instrument bereit, Unternehmen weiter zu finanzieren, sofern ein Sanierungskonzept vorliegt.

Wie läuft der Prozess ab?

Beck: Der Treuhänder begleitet den Prozess neutral und wird in der Regel eine Art Corporate Governance Struktur in Form eines Lenkungsausschusses oder Beirats aufsetzen, in dem alle Beteiligten eingebunden sind – auch die Berater des Unternehmens, die zum Beispiel die notwendige Restrukturierung umsetzen oder die Finanzierung verhandeln. Man kann durchaus sagen, dass die Treuhand den Beratern den Rücken freihält. So können sie die Restrukturierung oder Finanzierung des Unternehmens professionell begleiten und die Gesellschafter profitieren, weil die Treuhand immer die Insolvenz vermeiden will. Dafür kann sie mit verschiedenen Konzepten arbeiten – etwa indem sie im Fall der Fälle nur einzelne Geschäftsbereiche verkauft und das Kerngeschäft somit wieder stärker in den Fokus rückt.

Was sind Erfolgsfaktoren für eine doppelseitige Treuhand?

Beck: Der Erfolg hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Da ist zunächst einmal die Unternehmensgröße. Da die doppelseitige Treuhand von Diskretion lebt, ist sie für börsennotierte Unternehmen oft nicht geeignet – auch aufgrund der Pflicht zu ad hoc-Mitteilungen. Weiterhin ist aus Sicht der Finanzierer enorm wichtig, dass der Sicherungsfall sauber definiert ist. Zudem müssen klare Regelungen für Laufzeit- und Rückübertragungsoptionen getroffen werden – etwa durch eine Art Kaskade, die definiert, an wen und in welcher Reihenfolge Erlöse aus Verkäufen zurückfließen. Klar definieren müssen die Beteiligten auch das Treugut, das auf den Treuhänder übertragen werden soll, die Informationspflichten des Treuhänders sowie die Einbindung des Treuhänders in das Sanierungskonzept. Die Voraussetzung dafür bildet umfassend verhandelter und ausgearbeiteter Treuhandvertrag.

Der Interviewpartner

Dr. Andreas Beck

ist Rechtsanwalt und bei Schultze & Braun im Sicherheitenmanagement tätig. Eines seiner Spezialgebiete ist die doppelseitige Treuhand.