Die Nachlassinsolvenz: Haftungsrisiken beim Erbe vorbeugen
Meist kommt eine Erbschaft unerwartet und bedeutet für den oder die Erben eine erhebliche psychische Belastung. Doch ein Nachlass kann auch finanziell zur Belastung werden – etwa, wenn er zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Worauf Erben achten sollten und wie die Nachlassinsolvenz als Lösung fungieren kann.
In der Regel wird ein Nachlass damit verbunden, dass man als Erbe etwas bekommt – sei es in Form von Geld oder etwa einer Immobilie. Das ist aber nicht immer so: Denn im Moment des Ablebens des Erblassers geht das gesamte Vermögen und damit auch alle Verbindlichkeiten auf den oder die Erben über.
Rein rechnerisch ist davon auszugehen, dass es in Deutschland bei statistisch rund 1,1 Millionen Todesfällen und rund 5,65 Millionen überschuldeten Personen (Stand 2023) rund 75.000 überschuldete Nachlässe pro Jahr geben dürfte. Oftmals sind sich der oder die Erben dabei allerdings nicht darüber im Klaren, welche Herausforderungen ein überschuldeter Nachlass mit sich bringt.
Insolvenzantragspflicht bei Nachlässen
Nach § 1980 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist jeder Erbe dazu verpflichtet, unverzüglich die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen, wenn er von der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung des Nachlasses Kenntnis erlangt. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so haftet er gegenüber den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden – und je nach dem Umfang des Erbes kann eine solche Haftung schnell existenzgefährdend werden.
Dass Erben jedoch im Erbfall zunächst einmal nicht an das mögliche Haftungsrisiko denken, ist absolut nachvollziehbar. Denn zumeist kommt eine Erbschaft unerwartet und bedeutet für den oder die Erben eine erhebliche psychische Belastung. Zur Trauer kommt dann aber im Fall der Fälle schnell die Sorge hinzu, für was man jetzt alles verantwortlich sein, wofür man haften könnte. Doch wie erkennen Erben eigentlich, dass ein Nachlass zahlungsunfähig oder überschuldet ist?
Um auf der sicheren Seite zu sein, ist es im Erbfall ratsam, einen Experten hinzuzuziehen, der sich mit Nachlässen und ihren Besonderheiten auskennt. Denn im BGB sind zwar die Anforderungen und die möglichen Haftungsrisiken für Erben festgelegt, allerdings finden sich dort keine Regelungen zu einem sogenannten verteilungsgerechten Umgang mit unzureichenden Nachlässen. Die Punkte, die in diesem Zusammenhang zu klären sind, sind vielfältig: Liegt zum Beispiel das Bezugsrecht der vor 40 Jahren vom Erblasser begonnenen Lebensversicherung noch bei einem früheren Partner? Fordert ein enterbtes Kind seinen Pflichtteil? Die Antworten auf solche Fragen und ihre finanziellen Auswirkungen auf das Erbe können schnell dazu führen, dass das vorhandene Geld eines Nachlasses nicht mehr ausreicht, um auch nur die schon fälligen Verbindlichkeiten des Nachlasses zu bezahlen.
Zahlreiche Möglichkeiten und Vorteile
In einem solchen Fall füllt eine Nachlassinsolvenz die Lücke! Das Verfahren bietet zahlreiche Möglichkeiten und Vorteile, die drei wichtigsten sind:
- Finanzielle Haftung vermeiden: Mit einer Nachlassinsolvenz können Erben eine eigene finanzielle Haftung vermeiden.
- Verwaltungs- und Verwertungsprobleme entschärfen: Eine Nachlassinsolvenz entschärft Verwaltungs- und Verwertungsprobleme, die oft aus der Gesamtvertretung einer Erbengemeinschaft entstehen. Mit anderen Worten: Die Erben können sich nicht gegenseitig durch unterschiedliche Interessen oder auch reine Passivität blockieren, was oft zu einem erheblichen Wertverlust eines Nachlasses führt.
- Aussicht auf Übererlös erhalten: Eine Nachlassinsolvenz erhält für den oder die Erben die Aussicht auf einen Übererlös – gerade, wenn der Nachlassinsolvenzantrag wegen drohender oder bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses gestellt wird. Schlägt der Erbe den Nachlass hingegen aus Angst vor einer Haftung aus, kann ihm nichts mehr aus dem Nachlass zufließen, auch wenn sich die Dinge später besser entwickeln als anfangs gedacht. Dies ist in der Praxis oft bei nicht leicht liquidierbaren Vermögenswerten wie Unternehmensbeteiligungen oder belasteten Grundstücken der Fall, denen man den echten Wert oft nicht sofort ansieht.
Das Erbe ausschlagen oder einen Insolvenzantrag stellen?
Ein Erbe muss sich also überlegen, was er im Fall eines zahlungsunfähigen oder überschuldeten Nachlasses macht: Das Erbe ausschlagen, oder einen Insolvenzantrag für den Nachlass stellen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat festgestellt, dass beides nicht geht. Es muss also eine Entscheidung getroffen werden, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Doch worauf sollte der Erbe eines möglicherweise zahlungsunfähigen oder überschuldeten Nachlasses bei dieser Entscheidung achten?
Wenn er Kenntnis von der Erbschaft erlangt, hat der Erbe sechs Wochen Zeit, vor einem Notar oder einem Nachlassgericht die Annahme der Erbschaft auszuschlagen. Es gilt also, so schnell wie möglich Informationen zu erlangen über Vermögen und Verbindlichkeiten des Nachlasses, und das ist alles andere als banal. Und oft bilden mehrere Erben eine Erbengemeinschaft, die dann schnell zu einer Schicksalsgemeinschaft werden kann. Denn nach dem Gesetz gilt grundsätzlich die Gesamtvertretung, also alle Erben vertreten die Erbengemeinschaft gemeinsam – und müssen sich deshalb alle einig sein, wenn etwas veranlasst wird, und das bei oft unterschiedlichen Interessen.
Vorteil für die Erben und die Gläubiger
Grundsätzlich gilt: Vorsorge ist gerade auch im Erbfall wichtig. Man sollte als Erblasser. aber auch als (potentieller) Erbe nicht außer Acht lassen, dass diese Vorsorge schnell zu einem komplexen Thema werden kann, das sachkundige Hilfe erfordert. Denn dabei spielen familienrechtliche, steuerliche und bei Beteiligungen zudem gesellschaftsrechtliche Fragestellungen eine Rolle. In der Regel ist es aber so, dass die Vorsorge am Ende von Vorteil für die Erben und auch für die Gläubiger des Nachlasses ist.
Gleiches gilt für die Nachlassinsolvenz an sich. Die Möglichkeiten und Vorteile dieses Verfahrens sind aber immer noch weitgehend unbekannt. Denn den rechnerisch rund 75.000 überschuldeten Nachlässen stehen pro Jahr nur knapp 2.500 Nachlassinsolvenzverfahren gegenüber.