Debt-Equity-Swap: Komplex, aber mit großem Potential

22. Mai 2024 Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Für Unternehmen kann in einer herausfordernden Situation ein Debt-Equity-Swap die Lösung darstellen – nicht nur für das kriselnde Unternehmen, sondern auch für die Geldgeber. Im Interview erläutert Thomas Dömmecke von Schultze & Braun die Besonderheiten und Lösungsmöglichkeiten, die die Beteiligten im Blick haben, wenn sie auf Nummer Sicher gehen wollen.

 

Herr Dömmecke, Sie haben bereits mehrere Debt-Equity-Swaps begleitet. Wann kommt dieses Instrument zum Einsatz?

Dömmecke: Wenn ein Unternehmen vor der Insolvenz steht – oder sie bereits eingetreten ist – geht es oft darum, die bilanzielle Schieflage des Unternehmens zu beheben. In den Büchern des Unternehmens ist das Fest-, Stamm- oder Grundkapital oft nicht mehr vollständig durch die Vermögenswerte gedeckt. Ein Ziel ist dann, die Bilanz möglichst auszugleichen. Ein bewährtes, aber durchaus komplexes Instrument, mit dem dieses Ziel erreicht werden kann, ist der Debt-Equity-Swap, kurz DES. Bei einem Debt-Equity-Swap, der auf Deutsch mit Schuldenbeteiligungstausch übersetzt werden kann, werden die Forderungen aller oder einzelner Gläubiger in Eigenkapital – also Gesellschaftsanteile – am Unternehmen umgewandelt, das damit fortgeführt werden kann.

 

Welche Vorteile hat ein Debt-Equity-Swap?

Dömmecke: Ein Debt-Equity-Swap kann grundsätzlich individuell auf die Bedürfnisse der jeweiligen Beteiligten zugeschnitten werden. Die Attraktivität eines Debt-Equity-Swaps liegt grundsätzlich darin, dass mit diesem Instrument eine insolvenzrechtliche Überschuldung beseitigt und darüber hinaus die Eigenkapitalquote des Unternehmens erhöht werden kann. Damit verbessert sich auch die langfristige Perspektive des Unternehmens, was wiederum von Vorteil für den oder die sich beteiligenden Gläubiger ist. Das Potential eines Debt-Equity-Swaps liegt aber nicht nur in der Entschuldung des Unternehmens, sondern vielmehr in den daraus resultierenden Optionen – etwa der Beteiligung der wandelnden Gläubiger an seinen künftigen Gewinnen. Eine aktuelle Untersuchung von Debtwire zeigt, dass die Vorteile eines Debt-Equity-Swaps angesichts der weiter anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen für Unternehmen dazu führen, dass dieses Instrument vermehrt eingesetzt wird. So zählt Debtwire für das Jahr 2023 insgesamt 23 Debt-Equity-Swaps. Das sind mehr als doppelt so viele wie im jährlichen Durchschnitt seit 2018.

 

Gibt es bei einem Debt-Equity-Swap Besonderheiten, wenn er außerhalb eines Restrukturierungs- oder Insolvenzverfahrens stattfindet?

Dömmecke: Ja, die Besonderheit mit der größten Bedeutung ist, dass bei einem Debt-Equity-Swap außerhalb eines Restrukturierungs- oder Insolvenzverfahrens in der Regel alle Altgesellschafter zustimmen müssen. Dies ist eines der maßgeblichen Hindernisse – und führt oftmals dazu, dass ein Debt-Equity-Swap nach großem Vorbereitungsaufwand an der fehlenden Zustimmung der Altgesellschafter scheitert oder gar nicht erst erwogen wird.

 

Wie lässt sich das Hindernis der Zustimmungsnotwendigkeit überwinden?

Dömmecke: Indem der Debt-Equity-Swap im Rahmen eines Restrukturierungsplans nach dem StaRUG oder in einem Insolvenzplan umgesetzt wird. Grundsätzlich gilt: Bei der vorinsolvenzlichen Variante eines Debt-Equity-Swaps kommt hauptsächlich das Gesellschaftsrecht zum Tragen. Grundsätzlich müssen daher alle Altgesellschafter dem Debt-Equity-Swap zustimmen. Läuft die Transaktion jedoch etwa im Rahmen eines Insolvenzplans ab, können Widerstände bei Altgesellschaftern durch Mehrheitsentscheidungen leichter überwunden werden. Das sorgt für mehr Sicherheit bei der Umsetzung eines Debt-Equity-Swaps. Ohne die Möglichkeiten des Insolvenzrechts oder des StaRUG kann es im Fall der Fälle sonst sein, dass ein Debt-Equity-Swap aufwändig vorbereitet wird, dann aber am Widerstand der Altgesellschafter scheitert.

 

Seit wann ist der Eingriff in Gesellschafterrechte im Insolvenzplan möglich?

Dömmecke: Der Eingriff in die Gesellschafterrechte der Altgesellschafter im Rahmen eines Insolvenzplans wurde mit der ESUG-Insolvenzrechtsreform 2012 eingeführt. Dadurch ist seitdem das Potential deutlich reduziert, dass das Sanierungsvorhaben an einer Blockade der Altgesellschafter scheitert. Insbesondere kann der Insolvenzplan eine Kapitalherabsetzung oder -erhöhung, die Leistung von Sacheinlagen, den Ausschluss von Bezugsrechten oder die Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Altgesellschafter vorsehen.

 

Welche Möglichkeiten bietet das StaRUG beim Eingriff in Gesellschafterrechte?

Dömmecke: Mit dem StaRUG sind Eingriffe in Gesellschafterrechte auf Basis von Mehrheitsentscheidungen nun auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens möglich. Ein Beispiel: Das Konzept für einen Debt-Equity-Swap sieht vor, dass die bisherigen Aktionäre eines Unternehmens durch die im Konzept festgelegten Maßnahmen leer ausgehen. Da verwundert es nicht, dass das Unternehmen es für „nicht überwiegend wahrscheinlich“ hält, dass die Maßnahmen die erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung erhalten. Das StaRUG bietet aber die Möglichkeit, diesen erwarteten Widerstand im Zuge eines sogenannten Cross-Class Cram-down zu umgehen.

 

Wie läuft das ab?

Dömmecke: In einem StaRUG-Verfahren werden die vom Restrukturierungsplan betroffenen Gläubiger in Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe stimmt dann über den Restrukturierungsplan ab. Um eine übergreifende Annahme für den Restrukturierungsplan zu erreichen, müssen in jeder Gruppe 75 Prozent der Stimmrechte auf „Ja“ entfallen. Wird in einer Gruppe die erforderliche Mehrheit nicht erreicht, kann der Plan unter bestimmten Voraussetzungen dennoch umgesetzt werden, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind. So darf die ablehnende Gläubigergruppe beispielsweise nicht schlechter gestellt werden als in einem Szenario ohne Restrukturierungsplan. Im Fall von Aktionären wäre die Alternative etwa eine Insolvenz – in der Aktionäre in der Regel auch leer ausgehen – und damit würden die Aktionäre im Plan nicht schlechter gestellt. Das beschriebene Szenario zeigt, dass ein Debt-Equity-Swap im Rahmen eines StaRUG-Restrukturierungsplans für ein deutliches Mehr an Sicherheit steht, jedoch einer intensiven Vorbereitung bedarf. Das gilt auch für einen Debt-Equity-Swap im Rahmen eines Insolvenzplans.

 

Sie haben auch die Differenzhaftung angesprochen. Was versteht man darunter?

Dömmecke: Die Differenzhaftung bezeichnet das Risiko der Überbewertung der einzubringenden Forderung beziehungsweise Forderungen. Sind die Anteile letztendlich mehr wert als die bei einem Debt-Equity-Swap eingebrachten Forderungen, bleibt der wandelnde Gläubiger in einem solchen Fall einen Teil seiner Einlage schuldig. Kommt es zur Insolvenz des Unternehmens, an dem der Gläubiger nach dem Debt-Equity-Swap beteiligt ist, wird dieser wegen der Differenz vom Insolvenzverwalter zur Kasse gebeten.

 

Lässt sich die Differenzhaftung ausschließen?

Dömmecke: Ja, mit den Möglichkeiten des StaRUG oder des Insolvenzrechts ist das machbar. Seit der ESUG-Insolvenzrechtsreform 2012 legt § 254 Absatz 4 der Insolvenzordnung fest, dass „der Schuldner“ – und damit auch ein eventuell späterer Insolvenzverwalter – „nach der gerichtlichen Bestätigung eines Insolvenzplans keine Ansprüche gegen den bisherigen Gläubiger wegen einer Überbewertung der Forderungen im Plan geltend machen“ kann. Dies gilt nun nach § 67 Absatz 5 des StaRUG auch für den Restrukturierungsplan nach dem StaRUG.

 

Gibt es weitere Risiken, die die Beteiligten bei einem Debt-Equity-Swap im Blick haben sollten?

Dömmecke: Rechtlich gesehen ist es so, dass nach einem erfolgreichen Debt-Equity-Swap für die Neugesellschafter – also die wandelnden Gläubiger – im Falle einer späteren Insolvenz des Unternehmens, an dem sie sich beteiligt haben, mitunter die Gefahr der Nachrangigkeit ihrer Restforderungen beziehungsweise der nach der Kapitalumwandlung noch gewährten neuen Darlehen besteht. Denn ihre Forderungen werden nun als Gesellschafterdarlehen angesehen, die in der Insolvenz meist gar nicht bedient werden. Mehr noch: Gegebenenfalls muss der Neugesellschafter auch Zins und Tilgung aus dem letzten Jahr vor der Folgeinsolvenz zurückzahlen und auch seine Sicherheiten sind in Gefahr.

 

Was können Gläubiger tun, um das Nachrangigkeits-Risiko im Rahmen eines Debt-Equity-Swaps so gering wie möglich zu halten?

Dömmecke: Zunächst einmal sollten sie das Nachrangigkeits-Risiko nicht unterschätzen – gerade, da es durch das sogenannte Sanierungsprivileg gemäß § 39 Absatz 4 Satz 2 der Insolvenzordnung nur bedingt reduziert werden kann. Das Sanierungsprivileg besagt, dass, wenn sich ein Gläubiger zur Sanierung in der Krise an einem Unternehmen beteiligt hat und es später doch zu einer ersten oder einer erneuten Insolvenz kommt, der Nachrang von Forderungen – Debt-Equity-Swap wandelnden Gläubigers als Gesellschafter – und die Anfechtung von Rückzahlungen ausgeschlossen sein können. Jedoch greift das Sanierungsprivileg nur, wenn für das Unternehmen eine „nachhaltige Sanierung“ erreicht wurde – und auch nur, wenn der Gläubiger die Geschäftsanteile beziehungsweise Aktien zum Zweck der Sanierung des Unternehmens erworben hat.

 

Die Frage „Wann ist eine Sanierung nachhaltig?“ kann aber ja durchaus aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden und damit zu Diskussionen führen.

Dömmecke: In der Tat, und deshalb sollten wandelnde Gläubiger diesem Punkt besondere Beachtung schenken. Ein Beispiel, an dem sich – in diesem Fall losgelöst von einem Debt-Equity-Swap – die Herausforderung der unterschiedlichen Perspektiven darstellen lässt, ist Gerry Weber. Der Modehändler hatte 2019 ein Insolvenzplanverfahren durchlaufen, das zum 31. Dezember 2019 vom zuständigen Gericht aufgehoben wurde. Die Frage, inwieweit diese Sanierung angesichts der erneuten Sanierungsnotwendigkeit im Jahr 2023 – Gerry Weber ging in ein StaRUG- und ein Eigenverwaltungsverfahren – rund vier Jahre nach dem Insolvenzplanverfahren nachhaltig war, hält – je nach Perspektive, also „Aufhebung Debt-Equity-Swap ersten Insolvenzverfahrens“ vs. „erneute Sanierungsnotwendigkeit“, aller Wahrscheinlichkeit nach großen Diskussionsbedarf bereit.

 

Können die Regeln zu Nachrang und Anfechtung von Zahlungen auf Gesellschafterdarlehen auch anderweitig ausgeschlossen werden?

Dömmecke: Ja, sie sind auch durch das sogenannte Kleinbeteiligungsprivileg ausgeschlossen – aber nur, wenn die unter Umständen auch neu erworbene Beteiligung maximal zehn Prozent beträgt und der Gesellschafter nicht der Geschäftsleitung angehört.

 

Abschließend: Wie bewerten Sie das Potential eines Debt-Equity-Swaps?

Dömmecke: Ein Debt-Equity-Swap kann für Gläubiger sehr attraktiv sein – gerade, wenn das Risiko hoch ist, dass sie ansonsten auf ihren Forderungen in Teilen oder sogar ganz sitzen bleiben könnten. Wichtig ist jedoch, dass sie vorab bestimmen, welchen Wert ein Debt-Equity-Swap für sie haben kann. Zudem sollte geklärt werden, ob das Nachrangigkeits-Risiko vertretbar ist. Das Hindernis der Zustimmungsnotwendigkeit der Altgesellschafter und das Risiko der Differenzhaftung lassen sich in einem StaRUG- und einen Insolvenzplanverfahren ausschließen.

Der Interviewpartner

Thomas Dömmecke ist Rechtsanwalt bei Schultze & Braun. Der Transaktionsspezialist hat bereits mehrere Debt-Equity-Swaps begleitet.