Das Familienheim steuerfrei erben? Vorsicht bei Anwartschaften und Vermächtnissen!

07. November 2019 Blog Erbrecht und Unternehmensnachfolge

Die Steuerbefreiung für den Erwerb des Familienheims in der Erbschaftsteuer ist immer wieder Gegenstand finanzgerichtlicher Rechtsprechung. So hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 29.11.2017 (Az. II R 14/16) mit der Frage beschäftigt, was genau erfüllt sein muss, damit der Erbe zum Eigentümer des Familienheims wird und auf diese Weise in den Genuss der Erbschaftsteuerbefreiung kommt.

Das Ergebnis der Entscheidung vermag nicht zu überzeugen und führt in der Praxis zu Folgeproblemen und Rechtsunsicherheit. Näheres erfahren Sie in diesem Beitrag.

Birgitt Müller

Steuerberaterin

Dipl.-Betriebswirtin (BA)

Steuerbefreiung des Familienheims in der Erbschaftsteuer

Der Erwerb des selbstgenutzten Familienheims im Erbfall durch den Ehegatten und die Kinder ist unter bestimmten Voraussetzungen von der Erbschaftsteuer befreit. Eine der Voraussetzungen ist dabei, dass der Erblasser Eigentümer bzw. Miteigentümer der Immobilie war und der Erbe oder Erwerber Eigentümer bzw. Miteigentümer wird. Darüber hinaus muss der Erbe zukünftig selbst in der Immobilie wohnen – und zwar für mindestens zehn Jahre nach dem Erbfall.

Mit den Anforderungen an den Begriff des Eigentums hat sich der BFH in seinem oben genannten Urteil auseinandergesetzt. Er vertritt diesbezüglich eine restriktive, streng am Wortlaut der Vorschrift ausgelegte Auffassung.

Urteilssachverhalt
In dem Fall, der dem Urteil zugrunde liegt, hatte die Erblasserin eine Eigentumswohnung erworben. Nach Abschluss des Kaufvertrags wurde zu ihren Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen, der Eigentumswechsel im Grundbuch jedoch noch nicht vollzogen. Die Erblasserin verstarb ein halbes Jahr, nachdem sie mit ihrer Familie in die Wohnung eingezogen war, ohne davor jedoch als Eigentümerin ins Grundbuch eintragen worden zu sein.

Einige Monate nach dem Erbfall wurde die Wohnung auf den Ehemann umgeschrieben, der die Wohnung – teilweise als Miterbe und teilweise im Wege eines Vorausvermächtnisses – erworben hatte. Er hatte die Wohnung auch ununterbrochen zu eigenen Wohnzwecken genutzt. In der Erbschaftsteuererklärung beantragte er die Steuerbefreiung für das Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG. Das Finanzamt versagte die Steuerbefreiung mit der Begründung, dass der Ehemann nicht das dingliche Eigentum an der Wohnung, sondern lediglich einen schuldrechtlichen Eigentumsverschaffungsanspruch erworben hat. Ein solcher Anspruch sei von der Steuerbefreiung nicht umfasst.

Keine Befreiung bei Erwerb eine Anwartschaftsrechts
Der BFH bestätigte die ablehnende Rechtsauffassung des Finanzamts und versagte die Steuerbefreiung. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Voraussetzung, dass der Erblasser zivilrechtlicher Eigentümer oder Miteigentümer der Immobilie war und der begünstigte Erwerber (Ehegatte oder Kind) Eigentümer oder Miteigentümer der Immobilie werden muss. Der BFH legt den Eigentumsbegriff streng nach dem Gesetzeswortlaut aus. Steuerbefreit ist demnach nur der Erwerb des (dinglichen) Eigentums an dem Familienheim. Da die Erblasserin im Zeitpunkt des Erbfalls nicht als Eigentümerin der Wohnung im Grundbuch eingetragen und damit nicht zivilrechtliche Eigentümerin war, konnte der Ehemann nicht das zivilrechtliche Eigentum an der Wohnung erwerben.

Er hat lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Eigentumsverschaffung erworben, der nicht mit dem zivilrechtlichen Eigentum an der Wohnung gleichgesetzt werden kann. Ein solcher Anspruch ist nach den Feststellungen des BFH nicht von der Erbschaftsteuer befreit. Dies gilt auch dann, wenn der Anspruch im Grundbuch durch eine Vormerkung dinglich gesichert ist und dem Erwerber damit ein Anwartschaftsrecht zusteht. Im Ergebnis war der Erwerb der Immobilie im Urteilsfall in vollem Umfang steuerpflichtig.

Praxishinweis
Die Entscheidung des BFH ist kritisch zu hinterfragen. Die streng am Wortlaut orientierte Auslegung des Eigentumsbegriffs führt in der Praxis zu Folgeproblemen und Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Übertragung des Familienheims.

So ist unter Zugrundelegung des engen Begriffsverständnisses des BFH auch eine Übertragung des Familienheims im Vermächtniswege nicht begünstigt, da der Vermächtnisnehmer lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den bzw. die Erben erwirbt, nicht hingegen das dingliche Eigentum an der Immobilie. Gleiches gilt für ein Vorausvermächtnis. Bei der Nachfolgeplanung ist dieser Aspekt dahingehend zu berücksichtigen, dass das Familienheim stets durch Erbeinsetzung übertragen wird. Eine gegenständliche Zuordnung zu einem bestimmten Miterben kann ggfs. durch eine Teilungsanordnung erreicht werden.

Steuerberaterin Birgitt Müller, Dipl.-Betriebswirtin (BA)