- Global tätiger Spezialist für innovative Verbundwerkstoffe muss Insolvenzantrag stellen – Vorläufiger Insolvenzverwalter prüft wirtschaftliche Fortführungs- und Sanierungsmöglichkeiten
- Produkte für Kunden aus der ganzen Welt werden in höchster Qualität, Präzision und Zuverlässigkeit entwickelt und gefertigt – Neuaufträge sind weiterhin möglich
- Ziel: Erhalt des Unternehmens und der Arbeitsplätze mit den Instrumenten des Insolvenz- und Sanierungsrechts – Löhne und Gehälter der Belegschaft sind bis Ende Juni gesichert
Heinsdorfergrund / Chemnitz. Nahezu jeder hat wahrscheinlich schon einmal Kontakt mit den Produkten des traditionsreichen Familienunternehmens C. H. Müller gehabt – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die innovativen Verbundmaterialien des Herstellers aus Kunststoff, Echt- und Kunstleder finden in zahlreichen Fahrzeugmodellen, Schienenfahrzeugen oder Flugzeugen, aber auch in Medizinprodukten sowie anderen Industrieprodukten ihren Einsatz. Beispiele hierfür sind Innenverkleidungen und Sitze in Pkws namhafter Marken und ICEs, Bezüge für Kindersitze oder medizinische Hygiene- und Sterilprodukte. Besonderes Augenmerk liegt auf der Herstellung von hoch-effizienten, elektrischen Heizelementen, die im Fußboden oder in der Decke eingebaut werden können. Daran soll sich auch in Zukunft nichts ändern. Die Entwicklung und die Fertigung beim 1868 gegründeten Unternehmen mit Sitz in Heinsdorfergrund im sächsischen Vogtlandkreis laufen auch im vorläufigen Insolvenzverfahren unverändert weiter. Gleiches gilt für Gespräche mit potentiellen Investoren, die bereits begonnen wurden.
Qualität, Präzision und Zuverlässigkeit seit über 150 Jahren
„Das Ziel ist es, das Unternehmen so aufzustellen, dass es seine Kernkompetenz im Bereich der Kaschierungen und Beschichtungen, für innovative Medizinprodukte, flexible Heizelemente und textilbasierte Leichtbau-Verbundmaterialien ausbauen und langfristig am Markt aktiv sein kann“, sagt Dr. Dirk Herzig von Schultze & Braun. Den Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, der am Chemnitzer Standort der bundesweit vertretenen Kanzlei tätig ist, hat das Amtsgericht Chemnitz zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
Herzig und sein Team verschaffen sich derzeit einen Überblick über die Situation des Unternehmens und prüfen gemeinsam mit Geschäftsführer Philipp Porst die wirtschaftlichen Fortführungs- und Sanierungsmöglichkeiten. Zudem begleitet er die Gespräche mit potentiellen Investoren von extern und aus dem Gesellschafterkreis. Für die Kunden haben Porst und Herzig gute Nachrichten: „Unsere hochqualifizierten Mitarbeiter entwickeln und fertigen die Aufträge weiterhin in der besten Qualität, Präzision und Zuverlässigkeit, die unsere Kunden von uns gewohnt sind, und für die C. H. Müller seit über 150 Jahren steht.“
Breite Aufstellung bei Geschäftsfeldern und Kundenstruktur
C. H. Müller ist weltweit für namhafte Kunden aus den Bereichen Automotive, Medizin, Leichtbau, Marina, Transport, Filtration sowie Industrie und Bau tätig. „Unser innovatives und leistungsfähiges Unternehmen verbindet bei der Entwicklung und Fertigung unserer Produkte an unserem Stammsitz im Vogtland traditionelle Sorgfalt mit modernster Technik – und wir werden alles dafür tun, dass das auch in Zukunft so bleiben kann“, sagt Geschäftsführer Porst. „Unser Anspruch war und ist es, qualitativ hochwertige Produkte zu entwickeln und zu fertigen, die speziell auf die Bedürfnisse unserer Kunden zugeschnitten sind. Wir verfügen über die personellen, technischen, logistischen und finanziellen Möglichkeiten, um ihnen individuelle Komplettlösungen als Systemlieferant anzubieten.“
Internationale Ausrichtung
Mit seinen Standorten in Deutschland und den USA hat C. H. Müller zudem die Möglichkeit, hohe Stückzahlen zu liefern und kann dabei den Kunden logistische Vorteile garantieren. C. H. Müller ist in den USA in Greer (South Carolina) mit einem selbstständigen Werk vertreten, das von der Insolvenz nicht betroffen ist. „Unsere Kunden profitieren neben der großen Auswahl an Produkten auch von unserer globalen Aufstellung, unserer jahrzehntelangen Erfahrung und dem Know-how unserer hochqualifizierten und engagierten Belegschaft“, sagt Porst. Die Kunden und Lieferanten von C. H. Müller stammen aus der ganzen Welt. Viele davon haben bereits signalisiert, dass sie die Sanierungsbestrebungen des Unternehmens unterstützen und C. H. Müller auch in dieser besonderen Situation die Treue halten wollen.
Belegschaft ist über die aktuelle Situation und die nächsten Schritte informiert
Porst und Herzig haben die Belegschaft von C. H. Müller bereits über die aktuelle Situation und die nächsten Schritte informiert. Die Löhne und Gehälter der rund 280 Mitarbeitenden sind bis Ende Juni über das Insolvenzausfallgeld gesichert. Ab Juli soll C. H. Müller wieder so aufgestellt sein, dass das Unternehmen die Löhne und Gehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem laufenden Geschäftsbetrieb erwirtschaften kann.
Die wirtschaftliche Schieflage des Unternehmens ist beispielhaft für die sehr herausfordernde Lage der Automobil-Zulieferindustrie. Diese ist geprägt durch zunehmende Insolvenzen des Mittelstandes und um Zukunftslösungen ringenden Großkonzernen, die die Kunden von C. H. Müller sind. Nicht zuletzt sind die wirtschaftlichen Folgewirkungen der Corona-Pandemie, die Verwerfungen in den internationalen Lieferketten sowie die Preissteigerungen in der Folge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine ein zusätzlicher Aspekt. „Unsere Kunden sind auch von den wirtschaftlichen Herausforderungen der letzten Jahre betroffen. Die deutschen Fahrzeughersteller haben in den vergangenen Jahren zudem die Volumenmodelle stark zurück gefahren. All das hatte einen Umsatzrückgang von rund 30 Prozent zur Folge, der neben den Herausforderungen durch regelmäßige Zahlungsstockungen bei bestimmten Kundengruppen zur aktuellen Situation beigetragen hat. Wir haben zwar schon früh damit begonnen, unsere Produktionskapazitäten und
-prozesse an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen und auch neue Kunden und Aufträge zu akquirieren. Hinzu kamen jedoch die stark gestiegenen Kosten für Rohstoffe, Energie und Vormaterial, was unsere Liquidität in Summe maßgeblich negativ beeinflusst hat“, sagt Philipp Porst. „Zusätzlich wurde auch die Unterstützung einiger der langjährig verbundenen Kreditinstitute zurückgefahren, was die Situation weiter verschäft hat. Auch eigene Fehler muss man reflektierend einräumen. Diese Kombination aus Herausforderungen war und ist auch für uns als vorsichtig planendes und agierendes Familienunternehmen über einen Zeitraum von inzwischen mehr als vier Jahren nicht durchzuhalten. Erfreulich ist, dass unsere Kunden uns in der jüngeren Vergangenheit bereits sehr unterstützt haben mit Materialbeistellungen oder kürzeren Zahlungszielen.“ Die Sicherung der Liquidität ist eine der Maßnahmen, die die Geschäftsleitung und der vorläufige Insolvenzverwalter gemeinsam mit den Kunden und Lieferanten lösen wollen.
Finanzielle Schieflage zeitnah beheben
Die finanzielle Schieflage des Unternehmens soll möglichst zeitnah mit den Möglichkeiten des Insolvenz- und Sanierungsrechts behoben werden. „Wir sind davon überzeugt, dass wir uns mit dem nun begonnen Verfahren neu und zukunftsfähig aufstellen und das Unternehmen und die Arbeitsplätze erhalten können. Wir wollen mit der Unterstützung von Herrn Dr. Herzig und seinem Team die Maßnahmen und Gespräche fortführen, die wir bereits initiiert haben und sie zu einem erfolgreichen Abschluss bringen“, sagt Porst. Dr. Herzig ergänzt: „Wir werden jede Sanierungsoption genau prüfen. Ziel ist es in jedem Fall das Unternehmen zu erhalten.“ Erste Interessentenbekundungen gebe es bereits.
Über C. H. Müller: Die Unternehmensgeschichte der C. H. Müller GmbH beginnt am 09. September 1868 mit der Gründung durch Carl Heinrich Müller. Es folgten Schritte von der traditionellen Baumwoll-Weberei hin zum Hersteller innovativer Verbundmaterialien aus Textil, Echt- und Kunstleder. Seit den 1930er Jahren widmet sich das Familienunternehmen der Kaschierung und konnte diese Kompetenz nach der Enteignung der Inhaber 1972 mit der Neugründung im Jahr 1990 konsequent ausbauen. Die Produkte kommen in zahlreichen Autos, Schienenfahrzeugen und Flugzeugen, aber auch in Medizinprodukten und flexiblen Heizelementen zum Einsatz. Beispiele hierfür sind Innenverkleidungen und Sitze in Pkws namhafter Marken und ICEs, Bezüge für Kindersitze oder medizinische Hygiene- und Sterilprodukte. Besonderes Augenmerk liegt auf der Herstellung von hoch-effizienten, elektrischen Heizelementen, die im Fußboden oder in der Decke eingebaut werden können. C. H. Müller ist weltweit für namhafte Kunden aus den Bereichen Automotive, Medizin, Leichtbau, Marina, Transport, Filtration sowie Industrie und Bau tätig. Die rund 280 Mitarbeitenden am Unternehmenssitz in Heinsdorfergrund im sächsischen Vogtlandkreis verbinden bei der Entwicklung und Fertigung der Produkte Tradition mit modernster Technik.